0/0

Die Odyssee

Leonard Evers (*1985)
Familienoper für Kinder ab 7 Jahren
Libretto von Pamela Dürr nach Homers «Odyssee»
Auftragswerk des Opernhauses Zürich
Uraufführung

In deutscher Sprache mit deutscher Übertitelung. Dauer ca. 2 Std. inkl. Pause nach ca. 1 Std.
Ab 7 Jahren.

Gut zu wissen

Trailer «Die Odyssee»

Fragebogen


Ruben Drole

Ruben Drole stammt aus Winterthur. Seit 2005 ist er Ensemblemitglied am Opernhaus Zürich. Hier sang er u.a. Mozarts Papageno, Figaro und Leporello. Zuletzt war er in Strawinskys «Geschichte vom Soldaten» zu erleben. In unserer neuen Familienoper singt er den Odysseus.

Aus welcher Welt kommen Sie gerade?
Tagsüber bin ich gerade sechs Wochen lang im Mittelmeer herumgeirrt, habe gegen Meeresmonster gekämpft, bin den sagenumwobenen Sirenen begegnet, habe einen einäugigen Riesen überlistet, mich mit Zauberinnen abgegeben, habe Stürme überwunden und viele weitere Abenteuer erlebt. Abends ging ich dann immer nach Hause zu meiner Familie, wo die Abenteuer nicht minder aufregend waren.

Auf was freuen Sie sich in der neuen Familienoper Die Odyssee?
Auf das Publikum.

Wer ist Odysseus?
Wer das ist??? Puh, da muss ich etwas ausholen. Für mich ist Odysseus ein Anführer, ein König mit strenger Hand. Er ist aber auch liebender Ehemann und Vater. Ein Vorbild. Odysseus ist ein selbstbewusster und gleichzeitig selbstkritischer Mensch. Auch ein Zweifler. Immer auf der Suche nach Optimierung in jeglicher Hinsicht. Er ist ein Perfektionist. Er hat immer ein Ziel vor Augen, einen Gedanken im Hinterkopf. Er ist schlau, kalkulierend, manchmal vielleicht sogar ein bisschen manipulativ. Und hat doch das Herz am rechten Fleck. Er ist ein Typ mit Ecken und Kanten, mit harter Schale und weichem Kern, mit tausend Facetten. Treu und untreu zugleich. Er ist voller Widersprüche. Er ist aber stets bemüht. Es ist ihm nichts egal. Kurz: Odysseus ist ein Mensch. Ein Mensch mit hohen Idealen und vielen Fehlern. Mir persönlich ist er sehr sympathisch. Und ich freue mich riesig, ihn in unserer neuen Familienoper verkörpern zu dürfen.

Welche CD hören Sie immer wieder?
Die Gutenacht-Geschichten meiner Kinder. Man glaubt es kaum, wie oft sie dieselbe CD hören können… Wollt ihr nicht mal etwas anderes hören? Die Antwort: Nein Papi, die CD ist gut!

Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten?
Wenn ich etwas liebe. Ist es für mich nicht überflüssig. Ich habe aber natürlich Gegenstände zu Hause, die ich nur zweimal im Jahr benutze: Erstens wäre da meine heissgeliebte Pastamaschine für meine Ravioli ai funghi porcini. Zweitens mein Fleischklopfer. Er ist für die Zubereitung der Wienerschnitzel unverzichtbar, genauso wie das Kilo Butterschmalz!

Was bringt Sie zum Lachen?
Eine komische Situation. Ein lustiger Film. Ein guter Witz. Urmenschliche Dinge. Meine Kinder! Unglaublich, welche Freude und Lebensenergie sie ausstrahlen können, bereits um 7 Uhr morgens!

Welche Persönlichkeit würden Sie gerne einen Tag lang sein und warum?
Ich bin nicht gut mit «Was wäre wenn»- Fragen. Ich denke zu logisch und pragmatisch. So hat eben jeder seine Macken…

Was müsste passieren, damit die Welt auch in 100 Jahren noch existiert?
Ich weiss es nicht. Ich glaube aber, dass sie noch existieren wird. Die Frage ist mehr, in welcher Form. Deshalb finde ich es wichtig, dass Themen wie Klima und Nachhaltigkeit in unseren Köpfen präsent sind. Dass ein Bewusstsein geschaffen wird. Und dass gehandelt wird, wo Handlungsbedarf existiert. Der Gedanke, dass wir unserem Planeten Sorge tragen müssen, ist fundamental.

Dieser Artikel ist erschienen in MAG 87, November 2021.
Das MAG können Sie hier abonnieren.


Fotogalerie

 

Fotogalerie Odyssee

Probeneinblick mit Ruben Drole

Ruben Drole, einer unserer beiden Odysseus, fasst die Handlung unserer neuen Familienoper kurz und knapp in diesem Video zusammen und gibt einen Einblick in die Produktion.


Gespräch


Odysseus will nach Hause

Auf seinem Heimweg aus dem Trojanischen Krieg erlebt Odysseus eine stürmische und abenteuerreiche Fahrt übers Meer. In unserer neuen Familienoper nehmen wir Sie auf diese Reise mit. Ein Gespräch mit dem Komponisten Leonard Evers und der Librettistin Pamela Dürr.

Leonard, du hattest bereits mit deinem Musiktheaterstück Gold! grossen Erfolg beim jungen Opernpublikum, mit der Odyssee hast du nun eine Familienoper für unsere Hauptbühne geschrieben. Was bedeutet dir das Komponieren für Kinder?
Leonard Evers: Gold! war das erste grössere Stück, das ich direkt nach meinem Studium geschrieben habe. Eigentlich wollte ich damals noch ein bisschen in London weiterstudieren. Aber diese erste Arbeit für das Musiktheater war eine so packende Erfahrung, dass ich mich entschieden habe, einfach so weiterzuarbeiten. Der Erfolg von Gold! hat natürlich zu weiteren Aufträgen in diesem Bereich geführt: Im Rahmen der holländischen Organisation «Oorkaan», die Musiktheater für junges Publikum fördert, habe ich ein Puppentheaterstück nach Preusslers Krabat entwickelt und später das Stück Kriebel für ganz kleine Kinder ab 2 Jahren geschrieben, das gerade wieder in Amsterdam zu sehen ist. Dabei war es mir wichtig, ein ganz abstraktes, poetisches Stück zu konzipieren, das alle Sinne der Kinder anspricht und ihnen einen ganz haptischen Zugang zur Welt der Musik ermöglicht.

Auch diese weiteren Stücke waren erfolgreich und wurden mit Preisen bedacht. Hast du keine Angst, dass man dich aufgrund dieser Erfolge ausschliesslich als Komponist für Kinder wahrnimmt?
Leonard Evers: Ein bisschen hatte ich diese Befürchtung tatsächlich. Aber im Moment schreibe ich im Auftrag der Oper Amsterdam an einem grossen Stück für Erwachsene. Zwischen dem Komponieren für Erwachsene und für Kinder gibt es für mich aber ohnehin keinen Unterschied. Ich schreibe keine «Kindermusik» und glaube auch nicht, dass so etwas überhaupt existiert. Der entscheidende Unterschied ist für mich, dass Musik je nach Alter des Publikums eine unterschiedliche Wirkung hat. Ganz kleine Kinder haben logischerweise noch keine stilistische Referenz und daher auch nicht die Erwartungshaltung eines Erwachsenen. Letztere sind hingegen viel zu zivilisiert, um auf die Stühle zu springen oder lautstark mitzufiebern wie ein Kind. Wenn man diese Wirkung im Blick hat, kann man als Komponist eigentlich alles schreiben, auch für Kinder.

Mit Humanoid hast du zusammen mit der Librettistin Pamela Dürr auch schon eine Science fiction-­Oper für Jugendliche geschrieben. Was gefällt dir, Pamela, besonders am Theater für junge Menschen?
Pamela Dürr: Ich habe überhaupt keine Vorbehalte, für Kinder oder Jugendliche zu schreiben. Man ist dabei besonders stark aufgefordert, über das jeweilige Zielpublikum nachzudenken: Wer sind diese Menschen? Was kann ein Stück bei ihnen auslösen? Wie kann man auf sie zugehen? Besonders wichtig finde ich, dass man junge Menschen herausfordert. Oft stellen sie ja ganz direkte und essenzielle Sinnfragen. Und diese sollten in den Stücken unbedingt reflektiert werden. Ich bin daher immer dagegen, Stoffe für Kinder zu verniedlichen.

Wie habt ihr auf den Vorschlag des Opernhauses Zürich reagiert, eine Familienoper nach Homers Odyssee zu schreiben?
Leonard Evers: Ich habe gleich Pamela angerufen, und wir haben keine Sekunde mit unserer Entscheidung gezögert. Die abenteuerlichen Erzählungen, für die Homers Epos so bekannt ist, passen sehr gut zu den Fantasiewelten, in die sich Kinder gerne hineindenken.
Pamela Dürr: Ich habe mich sofort daran erinnert, wie mich die griechische Mythologie als Kind fasziniert hat. Aber mir wurde auch schnell wieder klar, dass es sich bei der Odyssee um einen sehr krassen, blutrünstigen und tiefgründigen Stoff handelt, aus dem man genauso gut ein Stück über Heimatverlust oder Kriegstraumata machen könnte. Unsere erste Aufgabe bestand also darin, uns von vielen Episoden und Figuren des Epos zu verabschieden und einen Zugang zu finden, der sich für die ganze Familie eignet.

Und für welche Dramaturgie habt ihr euch entschieden?
Pamela Dürr: Im Zentrum von Homers Epos stehen die Irrfahrten des Odysseus: Bei seiner Rückkehr aus dem Trojanischen Krieg verirrt er sich auf dem Meer und gerät in die verrücktesten Fantasiewelten. Dieser Abenteuer­-Reise, die Odysseus gemeinsam mit seinen Schicksalsgefährten durchlebt, folgt auch unsere Oper. Ausserdem haben wir uns entschieden, die Geschichte aus der Perspektive von Odysseus’ Sohn Telemachos zu erzählen. Dieser wartet mit seiner Mutter Penelope im Palast von Ithaka seit vielen Jahren auf den Vater, den er noch nie gesehen hat. Bei der Wiederbegegnung von Odysseus, Penelope und Telemachos hört bei uns die Geschichte dann auch auf, weil wir den Kindern die brutale Szene ersparen wollen, in der bei Homer kurz darauf alle Männer ermordet werden, die während Odysseus’ Abwesenheit seine Frau bedrängt haben.
Leonard Evers: In unserer Version gibt es aber auch zwei Götter, nämlich den Meeresgott Poseidon, dem in dieser Geschichte, die fast durchweg auf dem Meer spielt, eine wichtige Rolle zukommt, und Athene, die als Göttin der klugen Strategie gilt.
Pamela Dürr: Athene ist Poseidons Nichte. Die beiden stehen also für zwei Generationen und bilden auch sonst ein stark kontrastierendes Götterpaar: Poseidon versinnbildlicht die ungeheuren Kräfte der Natur, während sich Athene mit ihrer empathischen Kraft immer wieder für Odysseus einsetzt.

Können sich Kinder von heute mit solchen Götter­ und Heldenfiguren der Antike identifizieren?
Leonard Evers: Die griechischen Götter sind ja keine unnahbaren Wesen. Sie sind den Menschen täuschend ähnlich. Es liegt deshalb nahe, sie miteinander zu vergleichen, und manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass die Menschen den Göttern einen Schritt voraus sind.
Pamela Dürr: Trotzdem haben die Götter natürlich faszinierende Kräfte: Sie tauchen plötzlich auf um zu helfen oder zu strafen. Und für solche mit Superkräften ausgestattete Figuren sind Kinder ohnehin immer sehr empfänglich. Selbstverständlich haben wir uns überlegt, ob es nötig ist, diese alte Erzählung irgendwie ins Heute zu übersetzen. Wir haben uns aber ganz klar dagegen entschieden. Die Gelegenheit, einmal in diesen grossen, fantastischen Bildern zu sprechen, wollten wir gerade in der Welt von heute, in der sonst alles schnell, effizient und möglichst unaufwändig gehen soll, unbedingt nutzen.
Leonard Evers: In den meisten Fällen sind junge Leute mit dieser Geschichte ja noch gar nicht vertraut. Ich war deshalb unbedingt dafür, sie sehr direkt zu erzählen; sie enthält so viele Informationen, dass es nicht noch eine zusätzliche Ebene braucht. Ein Kind fragt sich nicht, wie es diese alte Erzählung in der Gegenwart zu verstehen hat, sondern eher wie es sich selbst in der Rolle des Odysseus fühlen oder verhalten würde.

An welchen Stationen führen Odysseus’ Irrfahrten in eurer Oper vorbei?
Leonard Evers: Odysseus bricht mit einem grossen Heer von Gefährten und Schiffen auf und ist am Ende allein, während das Meer immer wilder und gefährlicher wird.
Pamela Dürr: Die Inseln und Figuren, die auf unserer Reise vorkommen, haben sich nach und nach herauskristallisiert: Einige Charaktere wie beispielsweise der einäugige Riese Polyphem waren von Anfang an klare Favoriten. Dass dieses bedrohliche Monster bei Kindern hoch im Kurs steht, hat mir auch mein zehnjähriger Sohn klar bestätigt. Andere Szenen sind wegen ihrer theatralischen Anlage gut geeignet, so etwa die Episode um Kirke, die Odysseus’ Gefährten in Schweine verwandelt. Auch die Szene in der Unterwelt eignet sich aufgrund ihrer grossen Suggestivkraft gut für die Oper.
Leonard Evers: Es gibt aber auch wichtige Szenen, über die wir viel diskutiert haben, weil darin eigentlich nichts passiert. Zum Beispiel wenn Odysseus am Ende sieben Jahre bei der schönen Kalypso festsitzt.

Ihr habt euch trotzdem für die Kalypso-­Szene entschieden. Liegt das daran, dass die handlungsarmen Szenen für die Musik interessanter sind als die textlastigen?
Leonard Evers: Musikalisch war es grundsätzlich mein Ziel, für jede Insel ein eigenes klangliches Idiom zu finden. Demgegenüber stand aber tatsächlich auch die Herausforderung, einiges an Text unterzubringen, weil es natürlich Handlung gibt, die erzählt werden soll. Die Szene bei Kalypso steht ganz am Ende der Reise und ist deshalb besonders wichtig: Odysseus hat in dieser Szene nicht nur sein Schiff und seine Gefährten verloren, sondern in gewisser Weise auch sich selbst. Gleichzeitig befindet er sich in den Armen einer wunderschönen Frau, was offensichtlich dazu führt, dass er sieben Jahre lang die Zeit vergisst. Was Odysseus hier erlebt, ist das Paradies, und doch ist es das absolute Gegenteil von der Heimat, die er eigentlich sucht: Bei Kalypso findet er eine objektiv perfekte, aber völlig unwirkliche Welt. Ich habe deshalb eine Art «Liftmusik» geschrieben, die eine schöne, aber völlig sterile und unpersönliche Atmosphäre verbreitet.
Pamela Dürr: Rund um die Kalypso-­Figur könnte ich mir ein ganzes Stück für Erwachsene vorstellen… Für die Kinder ist aber entscheidend, dass hier Odysseus’ Kern zum Vorschein kommt. Er ist an diesem Punkt seiner Reise geschält wie eine Zwiebel. Das einzige Gefühl, das ihm bleibt, ist sein Heimweh. Und das können die Kinder gefühlsmässig sicher nachvollziehen.

Welches musikalische Spektrum umspannt deine Oper?
Leonard Evers: Es gibt darin ganz unterschiedliche Idiome. Einerseits gibt es sehr tonale Musik, die für mich – auch wenn das jetzt ein bisschen klischiert klingt – immer mit dem Heimkommen verbunden ist. So ist das eben mit der Tonalität. Man denkt sich immer: Das kenne ich! Dann gibt es aber auch Momente, in denen die Tonalität zugunsten anderer Ideen oder Charaktere in den Hintergrund tritt: So habe ich beispielsweise für Penelope eine Musik geschrieben, die nicht fortschreitet, sondern immer um sich selbst kreist. Telemachos hingegen hat eine sehr aktive, aufgeregte Sprache. Und dann gibt es natürlich viele Assoziationen oder Zitate aus Klangwelten, die mir für einzelne Episoden geeignet schienen.
Pamela Dürr: Leonard und ich haben viel über Klang­ und Tonwelten gesprochen, bevor ich angefangen habe, den Text zu schreiben. Das hat mir sehr geholfen. Er hat einen sehr spielerischen, unvoreingenommenen Zugang zur Musik und bringt auch mal einen Klangfetzen von einer holländischen Schlagerband ins Gespräch. Da schreibe ich natürlich gleich ganz andere Texte als für eine Stimme, die von einem dicken Sinfonieorchester­Klang begleitet wird.

Eine Besonderheit in deiner Partitur ist das sehr differenzierte Verhältnis von gesprochenem und gesungenem Text. Wie gehst du da vor?
Leonard Evers: Das Verhältnis von Text und Musik ist in der Oper ja ein grosses Thema, und meistens verhält es sich so, dass man sich denkt: Wow, tolle Stimme! Aber was singt sie eigentlich? Ich finde aber, dass es genau umgekehrt sein muss: Zunächst sollte man wissen, worum es geht, um dann festzustellen: Das wird ja gesungen! Aus diesem Grund gibt es bei mir nahtlose Übergänge vom Sprechen ins Singen. Das Singen ist für mich immer eine intensivierte Form des Sprechens. Ich stelle mir deshalb auch stets die Frage: Warum singt man das? Und wenn ich keine Antwort darauf habe, dann wird eben gesprochen.

Besondere Klangfarben werden in deiner neuen Oper auch im Orchester zu hören sein. Für welche Besetzung hast du dich entschieden?
Leonard Evers: Ein Stoff wie die Odyssee braucht manchmal richtig volle, mächtige Klänge, etwa wenn die Götter auftreten. Da ich für ein eher kleines Ensemble komponieren sollte, entschied ich mich deshalb ausnahmsweise gegen eine Streicherbesetzung: das Herz des Ensembles besteht aus Blasinstrumenten. Ein Bläserensemble kann sehr flexibel eingesetzt werden und klingt je nach Stil ganz unter schiedlich, mal wie eine Big Band, mal nach Jazz oder Pop, mal wie Monteverdi oder wie ein Ensemble für zeitgenössische Musik. Ergänzt werden die Blasinstrumente durch besondere Farben wie Harfe, Gitarre, Perkussion und ein Akkordeon, das ich ein fantastisches Instrument finde, weil es sowohl als Soloinstrument als auch als «Leim» für die ganze Besetzung interessant ist. Ich bin sehr gespannt, wie sich die Gesangsstimmen mit diesem Bläserensemble mischen werden. Durch die Arbeit mit dem Atem sind sich Gesang und Blasinstrumente ja sehr nahe.
Pamela Dürr: Mir gefällt deine Entscheidung auch in Bezug auf unsere Geschichte sehr gut, in der die Reise immer nur vorangeht, wenn der Wind bläst!

Das Gespräch führte Fabio Dietsche.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 86, Otkober 2021.
Das MAG können Sie hier abonnieren.



Wie machen Sie das, Herr Bogatu?


Ein Meeresstrudel ohne Meer

Ein Besuch unserer Familienoper Die Odyssee würde sich schon nur wegen der Musik lohnen, die der 1985 (!) geborene Leonard Evers komponiert hat, aber selbst Menschen, die mit Musik grundsätzlich nichts am Hut haben, werden von dieser Aufführung begeistert sein.

Die Werkstätten des Opernhauses – allen voran die Schlosserei – haben entsprechend der Vorgabe des Bühnenbildners David Hohmann das Seeungeheuer Charybdis aus der griechischen Mythologie wahrhaftig auf die Bühne gestellt. Der Mythologie nach sog Charybdis dreimal am Tag das Meerwasser ein, und es bildete sich ein gigantischer, für Seefahrende äusserst gefährlicher Strudel. Ein Strudel ist in diesem Fall kein in Vanillesauce schwimmendes Gebäck, sondern ein trichterförmiger, endloser Schlund, von dem Schiffe und – in unserer Oper – einige der Gefährten des Odysseus verschlungen werden.

Ich denke, jede und jeder möchte einen alles verschlingenden Strudel aus Meerwasser im Wohnzimmer haben, und das ist unproblematisch umzusetzen: Machen Sie ein grosses Loch, ca. 20 m tief, füllen Sie es mit Wasser und einer Prise Salz. Nun einfach den Stöpsel ziehen und das Wasser bildet von alleine einen Strudel. Das bühnenbildnerische Problem dabei ist, dass unser Publikum die Charybdis dann nicht wirklich gut sehen könnte: Das Parkett liegt so flach zur Bühne, dass man bei ruhiger See den Meeresspiegel von vielen Plätzen aus nicht sieht. Man würde die Inszenierung also nur vom 2. Rang aus gut sehen, und das wäre ja schade!

Kurzerhand hat David Hohmann den Strudel deswegen senkrecht gestellt, so dass das ganze Publikum in den sich drehenden Schlund schauen kann. Leider ist das Problem dabei, dass das Wasser das nicht mitmacht. Deswegen haben wir einen riesigen Trichter aus Stahl und Holz gebaut, der sich während der Inszenierung von Rainer Holzapfel dank toller Videoprojektionen von Tieni Burkhalter auch in die Höhle des einäugigen Riesen Polyphem oder die Unterwelt verwandeln kann. Und diesen Trichter können wir nun drehen lassen. Wie im echten Strudel dreht sich dann alles mit und so steht beispielsweise Odysseus im Stück plötzlich auf dem Kopf. Da so ein riesiger Strudel sich zur Mitte hin immer schneller dreht, besteht unser Trichter aus drei Teilen, die wir unterschiedlich schnell und in beide Richtungen drehen können. Die einzelnen Trichterteile stehen je auf einem Stahlgerüst aus Rollen. Diese Rollen treiben wir mit sehr kräftigen Motoren an, und dadurch dreht sich das jeweilige Trichterteil mit.

Unsere Maschinisten haben Charybdis während der Proben so dressiert, dass der Trichter auch nur sanft hin und her schaukeln kann: Und schon ist für das Publikum aus einem Strudel ein Schiff in einer sanften Dünung geworden. Aber wehe, wenn die Gefährten des Odysseus die Götter verärgern, dann wird aus der Dünung schwerer Seegang, und wenn tatsächlich Charybdis entfesselt wird, ist das wirklich sehenswert. Schauen Sie sich das an!

Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 87, November 2021.
Das MAG können Sie hier abonnieren.


Audio-Einführung für Kinder

Synopsis

Die Odyssee

Synopsis

Die Odyssee