Carmen
Oper in drei Akten und vier Bildern von Georges Bizet (1838-1875)
Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy
nach der Novelle «Carmen» von Prosper Mérimée
In französischer Sprache mit deutscher und englischer Übertitelung. Dauer 3 Std. 20 Min. inkl. Pause nach dem 1. Teil nach ca. 1 Std. 45 Min. Werkeinführung jeweils 45 Min. vor Vorstellungsbeginn.
Gut zu wissen
Ach die Musik! Welche herrliche Kunst!
Georges Bizet
Pressestimmen
«Wer Carmen schon oft gesehen hat – HINGEHEN, weil es soviel Neues zu entdecken gibt und die Inszenierung von atemberaubender Stringenz ist.
Wer Carmen noch nie gesehen hat – HINGEHEN.»
Oper aktuell vom 14. September 2019
Die geniale Stelle
Das Theater mag kein Glück. Es braucht den Widerspruch, den Konflikt, die Unruhe. Glückliche Menschen auf dem Theater sind langweilig. Und zu langweilen, ist die Todsünde des Theaters. Nun gibt es aber Dramen, in denen der Konflikt in der Mitte gelöst scheint und erst spätere Entwicklungen das tragische Ende herbeiführen. Es entsteht also das Problem, eine Phase des glücklichen Lebens der Protagonisten zu zeigen, das die Autoren meist durch Weglassen lösen: Während der Vorhang fällt, sinken sich die Liebenden in die Arme, wenn er sich wieder hebt, ist das Glück schon zerbrochen. Was dazwischen liegt, ist der Phantasie der Zuschauer überlassen.
So verfuhren auch die Librettisten der Carmen, aber der Komponist fand eine andere, operngerechtere Lösung: Was das Theater nicht sichtbar, kann die Musik hörbar machen. Nun ist die Musik wie kaum eine andere Kunst geeignet, Bilder des ungetrübten Glücks zu entwerfen und auszumalen. Und im Zwischenspiel vor dem dritten Akt seiner Oper tut Bizet genau das.
Die Flöte, von der Harfe begleitet, intoniert eine jener schier endlosen, frei ausschwingenden Melodien voll herber Süsse, wie sie wohl nur Bizet erfinden konnte. Später tritt die Klarinette hinzu und wiederholt, nun auf einem weichen Klangteppich der Streicher, diese Melodie, von der Flöte mit zärtlichem Kontrapunkt umspielt: Das Glück zweier Menschen findet seine Darstellung in der musikalischen Form des Kanons. Aber dann geschieht Irritierendes. Kaum hat die Klarinette das Hauptthema ausgesungen, tritt in den Streichern – pianissimo aber espressivo – ein neues, absinkendes Motiv auf: Ein Seufzer. Die beiden Oberstimmen intonieren nun das Hauptthema im Oktavabstand, kommen aber über die ersten zwei Takte nicht hinaus, die nun fortwährend wiederholt werden, wie ein hilfloser Versuch, das verlorene Ganze wiederzugewinnen. Den Kontrapunkt bildet das ebenso insistent wiederholte Seufzermotiv, das die Musik mehr und mehr zersetzt, bis vom Hauptthema nur noch der erste Takt bleibt, mit dessen mehrfach sequenzierter Wiederholung das Stück wie im traurigen Rückblick auf ein verlorenes Glück leise verdämmert.
Dieses kleine, fast unscheinbare Motiv markiert den Umschlagpunkt des Dramas von dem an die Handlung unaufhaltsam der Katastrophe zustrebt. Mit dem Zwischenspiel bringt Bizet also nicht nur das undramatische Liebesglück der Protagonisten in das Stück ein, er erzählt auch, wie das Glück zerbricht und benennt sogar die Ursache des Scheiterns: Denn bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die Idylle von Anfang an trügerisch ist. Die Oberstimme (Carmen) gibt die Melodie vor, die Unterstimme (José), singt sie buchstabengetreu nach. José ist Soldat und dazu erzogen, Befehlen zu gehorchen, aus diesem Zwang kann er nicht ausbrechen. Carmen ist der Illusion verfallen, sie könne ihn aus dieser Gefangenschaft befreien, zu dem freien Mann machen, den sie lieben könnte. Ihm aber ist die Unfreiheit zur zweiten Natur geworden, der er nicht entkommen kann.
Bizet löst mit diesem Zwischenspiel nicht nur ein eigentlich unlösbares dramaturgisches Problem, er macht auch hörbar, worum es in seinem Stück geht: Nicht nur um eine aussergewöhnliche, exotisch kolorierte Liebesgeschichte, sondern um nicht weniger als die Frage, ob der Mensch in den Grenzen, die ihm die Gesellschaft setzt, zu einem freien und selbstbestimmen Leben finden kann, und wie eine Gesellschaft beschaffen sein müsste, in der das möglich ist.
Text von Werner Hintze.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 60, Juni 2018.
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Carmen
Synopsis
Carmen
1. Akt
Vor der Zigarrenfabrik warten Polizisten, angeführt von Moralès, auf das Ende ihres Wachdienstes und schauen dem Treiben der Leute zu. Micaëla, ein Mädchen aus der Fremde, zieht die Aufmerksamkeit der Männer auf sich. Sie ist auf der Suche nach ihrem Jugendfreund Don José. Als sie sich bei den Männern nach ihm erkundigt, werden diese zudringlich, und nur mit Not kann sie sich ihren Annäherungsversuchen entziehen.
Don José erscheint zum Dienst und gerät mit seinem Vorgesetzten Zuniga aneinander. Als die Fabrikglocke zur Mittagspause läutet, kommen die Zigarrenarbeiterinnen vor die Fabrik, wo sie von ihren Verehrern bereits erwartet werden. Carmen, die daran gewöhnt ist, dass man besonders ihr den Hof macht, wird auf den gleichgültigen José aufmerksam und wirft ihm eine Blume zu. Ein Glockenzeichen ruft die Arbeiterinnen in die Fabrik zurück.
Micaëla findet Don José und überreicht ihm einen Brief seiner Mutter, deren Wunsch es ist, dass er Micaëla heiratet.
Aufruhr in der Fabrik: Im Streit hat Carmen einer Arbeiterin das Gesicht zerschnitten. Der Leutnant Zuniga lässt Carmen verhaften; Don José soll sie ins Gefängnis bringen.
Mit Don José allein gelassen, gelingt es Carmen, seinen Diensteifer zu brechen, indem sie ihm ein Rendezvous bei Lillas Pastia in Aussicht stellt. Don José verhilft Carmen zur Flucht.
2. Akt
In Lillas Pastias Kneipe wartet Carmen auf Don José, der wegen seiner Beihilfe zu ihrer Flucht inhaftiert worden war. Sie weist die Nachstellungen Zunigas zurück, ist aber empfänglich für die Avancen des von den Anwesenden mit Jubel begrüssten Toreros Escamillo.
Die Schmuggler Dancaïro und Remendado fordern Carmen und ihre Freundinnen Frasquita und Mercédès auf, ihnen bei einer bevorstehenden Aktion die Zöllner vom Leibe zu halten. Carmen lehnt jedoch ab.
Don José kommt. Er liebt Carmen, ihre Faszinationskraft reicht aber nicht aus, ihn zum Desertieren und zum Eintritt in die Schmugglerbande zu überreden. Plötzlich erscheint Leutnant Zuniga. In der Auseinandersetzung mit Don José und den Schmugglern findet er den Tod. Don José bleibt kein anderer Ausweg, als sich den Schmugglern anzuschliessen.
3. Akt
1. Bild
Die Schmuggler schaffen nachts ihre Ware auf gefährlichen Wegen über das Gebirge. Carmen ist Don Josés überdrüssig geworden und rät ihm, die Schmugglerbande zu verlassen.
Frasquita, Mercédès und Carmen befragen die Karten nach der Zukunft; Carmen liest aus ihnen immer wieder nur Don Josés und ihren eigenen Tod.
Während die Schmuggler das Gelände erkunden, soll Don José in der Nähe des Lagers bleiben und die zurückgelassene Ware bewachen. Nur knapp verfehlt ihn Micaëla, die ihm in die Berge gefolgt ist. Sie wird Zeugin, wie Escamillo – auf der Suche nach Carmen – von Don José zum Zweikampf gefordert und in letzter Sekunde durch die dazwischentretende Carmen gerettet wird. Der Torero lädt alle zu seinem nächsten Kampf ein. Remendado entdeckt Micaëla in ihrem Versteck. Sie bewegt Don José, ihr zu folgen: seine Mutter liege im Sterben. Don José droht Carmen, dass er zurückkommen werde.
2. Bild
Carmen und Escamillo sind ein Paar geworden. Vor der Arena wartet die Bevölkerung voller Spannung auf den Beginn des Stierkampfes und begrüsst die einziehenden Kämpfer. Carmen folgt Escamillo nicht in die Arena. Trotz der Warnungen ihrer Freundinnen stellt sie sich einer letzten Auseinandersetzung mit Don José. Umsonst versucht er, Carmen zu einem Neubeginn zu bewegen. Unberührt weist sie ihn zurück. Don José tötet Carmen, während in der Arena Escamillo einen neuen Sieg feiert.