Leben mit einem Idioten
Oper in zwei Akten von Alfred Schnittke (1934–1998)
Libretto von Viktor Jerofejew
In deutscher Sprache mit deutscher und englischer Übertitelung. Dauer ca. 1 Std. 45 Min. Keine Pause. Werkeinführung jeweils 45 Min. vor Vorstellungsbeginn.
Die Einführungsmatinee findet am 20 Okt 2024 statt.
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November 2024
03
Nov19.00
Leben mit einem Idioten
Oper von Alfred Schnittke, Premiere
Preise E: CHF 245 / 207 / 183 / 100 / 40 / 34
Premieren-Abo A
08
Nov20.00
Leben mit einem Idioten
Oper von Alfred Schnittke
Preise E: CHF 245 / 207 / 183 / 100 / 40 / 34
Premieren-Abo B
10
Nov14.00
Leben mit einem Idioten
Oper von Alfred Schnittke
Preise E: CHF 245 / 207 / 183 / 100 / 40 / 34
Sonntag-Abo B
14
Nov19.00
Leben mit einem Idioten
Oper von Alfred Schnittke
Preise E: CHF 245 / 207 / 183 / 100 / 40 / 34
Donnerstag-Abo B
16
Nov19.00
Leben mit einem Idioten
Oper von Alfred Schnittke
Preise E: CHF 245 / 207 / 183 / 100 / 40 / 34
Samstag-Abo
22
Nov19.00
Leben mit einem Idioten
Oper von Alfred Schnittke
Preise E: CHF 245 / 207 / 183 / 100 / 40 / 34
Freitag-Abo A
29
Nov19.00
Leben mit einem Idioten
Oper von Alfred Schnittke
Preise E: CHF 245 / 207 / 183 / 100 / 40 / 34
Dezember 2024
Gut zu wissen
Diese Inszenierung enthält Stroboskop-Effekte.
Leben mit einem Idioten
Kurzgefasst
Leben mit einem Idioten
Als Strafe für mangelndes Mitleid soll der Schriftsteller «Ich» einen Idioten bei sich zuhause aufnehmen. Das scheint eine leicht zu bewältigende Aufgabe: «Ich» zieht los und sucht sich seinen Idioten aus; dabei ist er von sich selbst und seiner Bereitwilligkeit, einen «heiligen Narren» zu beherbergen, durchaus eingenommen. Der Idiot scheint sich brav in das Leben von «Ich» und seiner Frau einzufügen; nur mit dem Sprechen will es nicht klappen, ausser «Äch!» gibt er kein Wort von sich. Als dann der Idiot eines Tages plötzlich und ohne Vorwarnung zum ersten Mal auf den Teppich scheisst, beginnt eine unkontrollierbare Spirale aus Gewalt, Sex und Anarchie. 1992 wurde Alfred Schnittkes Oper Leben mit einem Idioten in Amsterdam uraufgeführt. Der titelgebende Idiot wurde schnell als eine Karikatur Lenins entschlüsselt, die absurd-groteske Geschichte als eine bitterböse Parodie auf den Alltag in der Sowjetunion. Doch schon der Komponist hat darauf hingewiesen, dass es in seiner Oper «auf keinen Fall allein um den Kommunismus» geht, sondern viel mehr noch um einen allgemeinen Zustand, in dem «das Irrationale das Rationale beherrscht». Und so wird Regisseur Kirill Serebrennikov das Stück als die dystopische, heutige Geschichte eines Ehepaares auf die Bühne bringen, für das der Idiot zum Katalysator ihrer ohnehin toxischen Beziehung wird – ein Katalysator, der die dunkelsten, destruktivsten Triebe des Menschen ebenso an die Oberfläche bringt wie die Bereitschaft zu Aggression und Gewalt. Schnittkes Musik, die Zitate aus Bachs Matthäus-Passion, die kommunistische Internationale, das Volkslied vom Birkenbäumchen, einen Tango aus den 30er-Jahren und weitere Anklänge an Chopin, Mahler, Schostakowitsch und andere in einer polystilistischen Collage-Technik miteinander verbindet, hat ein grosses Potential an Witz und Ironie, das sich mit der Philharmonia Zürich unter der Leitung von Jonathan Stockhammer entfalten wird. Susanne Elmark, Bo Skovhus sowie der Chor der Oper Zürich, der den ganzen Abend auf der Bühne steht, stellen sich den enormen Herausforderungen ihrer Partien.
Regisseur Kirill Serebrennikow hat mit dem SRF über seine neue Produktion gesprochen.
Kirill Serebrennikov über «Leben mit einem Idioten»
Was interessiert dich an diesem Werk, Kirill Serebrennikov, und was interessiert dich nicht? Wir haben beim Regisseur von «Leben mit einem Idioten» nachgefragt und einiges über Liebe, menschliche Abgründe und unsere «inneren Idioten» erfahren.
Hintergrund
Es ist eine sehr existenzielle Geschichte
Der russische Autor Viktor Jerofejew hat die Geschichte geschrieben, die unserer Neuproduktion «Leben mit einem Idioten» zugrunde liegt, und sie auch selbst in ein Opernlibretto verwandelt. Darin verarbeitet er, unter anderem, seine Erfahrungen in der Sowjetunion. Wie schaut er heute, 45 Jahre nach der Entstehung seiner Geschichte, auf den Stoff? Wir haben ihn zum Gespräch getroffen.
Viktor, du hast deine Erzählung Leben mit einem Idioten, die der Oper von Alfred Schnittke zugrunde liegt, 1980 in der Sowjetunion geschrieben. Was war das damals für eine Zeit?
1980 ist zum letzten Mal in der Sowjetunion Lenins Geburtstag mit allem Pomp gefeiert worden. Lenin wurde 1870 geboren, 1980 war also ein runder Geburtstag. Ganz Moskau war im Taumel. Man konnte sogar Socken mit Lenins Profil kaufen. Das war schon alles sehr absurd. Und genau deshalb hat sich mir dieses Thema eingeprägt. Lenin taucht in meiner Erzählung nicht zufällig auf. Es war eine Zeit des Stillstands, der Stagnation, der Depression. Und es war kurz nachdem der Literaturalmanach Metropol mit Texten noch unbekannter Autoren erschienen war, darunter auch Texte von mir, und ich daraufhin aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen wurde. Die Erzählung Leben mit einem Idioten ist einfach aus mir herausgeflossen. Ich mag es eigentlich nicht, wenn die Entstehung von Kunst mystifiziert wird. Aber in diesem Fall schien es mir wirklich, als würde dieser Wowa, so heisst der Idiot in meiner Erzählung, durch die Strassen Moskaus spazieren, ich sah ihn buchstäblich an jeder Ecke. Als ich die Erzählung dann geschrieben hatte, sind die Blätter irgendwie verlorengegangen. Drei Jahre lang war der Text verschwunden. Damals hat man auf der Schreibmaschine geschrieben, und es gab nur ein Exemplar. Dann bekam ich eines Tages einen Anruf von der Frau eines befreundeten Schriftstellers, die mich einlud, am Silvesterabend bei ihnen zuhause etwas vorzutragen. Ich ging also noch mal auf die Suche. Und fand die Blätter schliesslich in meinem Schreibtisch, zu einem Knäuel zusammengedrückt, hinter der Schublade. Diese Erzählung, die später eine Oper von Alfred Schnittke werden sollte, die mehrfach dramatisiert und sogar verfilmt wurde, war mal ein Papierknäuel, das man erst glätten musste, bevor man es lesen konnte! Ich ging also zu der Silversterparty und las die Erzählung vor. Und es war, als hätte der Blitz eingeschlagen. Stille. Die Gäste vergassen sogar, dass Silvester war. Und ich verstand, dass ich etwas Grosses geschrieben hatte.
Hattest du mit so einem Effekt nicht gerechnet? Oder ihn sogar provozieren wollen?
Nein, ich wollte niemanden provozieren, nie. Ich fand die Erzählung lustig. Und sehr geeignet für einen Silvesterabend: Der Held bringt einen Verrückten nach Hause, das ist doch witzig. Aber natürlich gibt es in der Erzählung auch sehr viel Gewalt.
Wie stehst du heute zu dieser Erzählung?
Heute würde ich nicht mehr sagen, dass das einfach ein lustiger Text ist. Aber ich finde schon immer noch, dass es durchaus zum Lachen ist, wenn – wie in dieser Erzählung – das Absurde beginnt, die Welt zu beherrschen.
Und wer hatte die Idee, aus dieser Erzählung eine Oper zu machen?
Zu Beginn der Perestrojka in den 90er-Jahren las ich die Erzählung zum ersten Mal öffentlich vor, in einer Bibliothek in Moskau. Zu dieser Lesung kamen auch Alfred Schnittke, mit dem ich zu dieser Zeit schon sehr gut befreundet war, und der Dirigent Gennadi Roshdestwensky. Alfred sagte direkt nach der Lesung, dass er aus dieser Erzählung unbedingt eine Oper machen möchte. Ich gab zu bedenken, dass ich nicht wisse, wer dazu das Libretto schreiben sollte. Alfred meinte, dann solle ich das eben selbst machen. Ich hatte aber noch nie vorher ein Libretto geschrieben. Alfred sagte, genau deshalb wird es ein gutes Libretto werden.
Hat Alfred Schnittke dir damals gesagt, was ihm so an deiner Erzählung gefallen hat, warum er sie so geeignet fand für eine Oper?
Wir hatten in Bezug auf unser künstlerisches Schaffen so eine Theorie: Je mehr du nachfragst und drüber redest, desto schlechter wird das Werk. Ganz offensichtlich hat es ihm gefallen. Das war durchaus überraschend, denn eigentlich interessierte er sich eher für Goethe oder armenische Poesie des 12. Jahrhunderts. Und dann plötzlich sowas. Meine Erzählung ist ja bis heute für manche Leute anstössig. Zum Beispiel heisst es da: «Wowa ist viel sauberer geworden, er scheisst fast nicht mehr auf den Teppich.»
An dieser Stelle waren wir gerade vorhin auf der Probe angekommen…
...und du lachst, also ist es doch lustig! Übrigens kann ich mich gut daran erinnern, wie Alfred selbst am Klavier sass und die Oper Boris Pokrowski vorspielte, dem Regisseur der Uraufführung. Schon bei der allerersten Phrase – «Das Leben mit einem Idioten ist voller Überraschungen» – musste er furchtbar lachen. Er konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen, es war sehr ansteckend. Pokrowski dachte, wir wollen ihn veräppeln.
Worin besteht für dich die Qualität von Schnittkes Musik?
Wenn du genau zuhörst, dann merkst du, dass die Musik die Worte auf besondere Art und Weise beleuchtet, so wie vielleicht die Strassenlaternen abends in Paris die Häuser beleuchten. Meistens gehen ja die Worte in einer Oper durch die Musik verloren, man versteht sie nicht mehr. Dass das in dieser Oper nicht so ist, hat vermutlich mit Schnittkes Erfahrung als Theatermusiker bei Juri Ljubimov zu tun. Für mich war die Zusammenarbeit mit Alfred Schnittke und die Entstehung dieser Oper ein grosses Geschenk. Wir haben übrigens nie über den Inhalt der Oper gesprochen, er hat mich nie gebeten, ihm irgendwas zu erklären.
Alfred Schnittke war ja 1992, als in Amsterdam die Uraufführung der Oper stattfand, schon sehr krank…
Ja, als er fast am Ende der Oper angekommen war, erlitt er seinen vierten Schlaganfall. In Moskau schrieben die Zeitungen, dass er gestorben sei… aber glücklicher weise hat er noch einige Jahre weitergelebt, er starb 1998. Der allerletzte Teil der Oper unterscheidet sich stark vom Rest des Stückes. Man hat das Gefühl, als sei Alfred schon ein wenig in einer anderen Welt gewesen, als er das komponierte. Aber seine Oper ist absolut genial. Seit dieser Erfahrung ist die Oper für mich das tollste Genre überhaupt. Bis dahin dachte ich, die Oper ist, wie Majakowski sagte, etwas für Nichtraucher. Jetzt denke ich, sie ist auch was für Raucher. Durch Alfred habe ich verstanden, dass man sich in der Oper alles erlauben kann, wenn man wirklich etwas zu sagen hat. Man zerstört die Konventionen, und durch diese Zerstörung entstehen ganz neue Ideen, neue Eindrücke, das Gefühl von Unendlichkeit.
Wie ist die Uraufführung in Amsterdam aufgenommen worden?
Die niederländische Königin war anwesend. In der Pause lud sie zum Champagnercocktail ein. Ich war auch eingeladen. Sie sagte zu mir: Monsieur Viktor, Ihre Oper ist zu hart für mich, votre opéra est trop dur pour moi. Ich habe ihr geantwortet: Votre Majesté, der zweite Akt wird noch schlimmer. Am Schluss stand sie auf und begann zu klatschen. Es gab stehende Ovationen, der Applaus dauerte 35 Minuten. Der Sänger des Idioten, Howard Haskin, sagte, das habe sicher daran gelegen, dass die Königin in der Vorstellung war und lange geklatscht hat. Man solle mal abwarten, wie es in den nächsten Vorstellungen wird, wenn all die Professoren kommen, die frustriert sind, weil sie für die Premiere keine Karten mehr bekommen haben. Nach der nächsten Vorstellung dauerten die Ovationen 40 Minuten. Das hatte es in der Amsterdamer Oper noch nie gegeben. Ein Welterfolg! Vor diesem Hintergrund ist es wirklich ein Wagnis, diese Oper jetzt hier in Zürich aufzuführen. Die Latte liegt hoch. Aber ich kenne Kirill Serebrennikov gut. Wir haben in Moskau zusammengearbeitet, als Zhenja Berkowitsch, die mittlerweile in Russland im Gefängnis sitzt, meinen Roman Die Moskauer Schönheit auf die Bühne gebracht hat, im Gogol Zentr, das Kirill damals leitete. Er ist für mich ein absoluter Theatergigant. Wir haben uns ein paar Mal getroffen und über Leben mit einem Idioten gesprochen. Wir haben uns sehr gut verstanden, ich war mit allem einverstanden, was er sich überlegt hatte.
Ihr habt auch über Kirills Wunsch gesprochen, diese Oper weder als Parodie auf die Sowjetunion noch auf das heutige Russland zu erzählen…
Ja, und ich bin der Meinung, Leben mit einem Idioten ist nicht in erster Linie eine politische Oper. Obwohl ich die Erzählung 1980 in der Sowjetunion geschrieben habe. Es ist eine Oper über die Unvollständigkeit des Menschen. The human being is not perfect at all. Klar, es geht um politische Spielchen, die Hauptfigur wird bestraft und muss einen Idioten bei sich zuhause aufnehmen. Wofür diese Strafe, das bleibt im Dunkeln. Aber es ist vor allem eine sehr existentielle Geschichte. Mit politischen Elementen. Und einer Menge Exzessen.
In der Tat. Warum gibt es in diesem Stück so viel Gewalt?
Wie gesagt: Ich habe diese Geschichte geschrieben, nachdem man mich überall rausgeschmissen hatte. Mein Vater hat meinetwegen seinen Job als Botschafter in Wien verloren. Die Gewalt in dieser Geschichte hat ihren Grund. Wir sind in ein schwarzes Loch gefallen damals. Die Gewalt, die an mir, an meiner Familie verübt worden war, musste irgendwie verarbeitet, artikuliert werden. Noch dazu hatte ein Jahr zuvor die Sowjetunion den Krieg in Afghanistan begonnen. Es war eine monströse Zeit. Die Sowjetunion war nie ein besonders friedliebendes Land. Leben mit einem Idioten ist mein «Geschenk» an die Sowjetunion für das, was sie lange vor meiner Zeit und dann auch mit mir gemacht hat.
Und trotzdem sagst du, Leben mit einem Idioten ist keine politische Oper? Es gibt so viele Anspielungen auf die Sowjetunion, auch in der Musik.
Natürlich. Aber zu einer politischen Oper gehört eine klare Einteilung in Schwarz und Weiss, Richtig und Falsch. Das ist hier nicht der Fall. Man kann diese Oper seht gut in etwas Allgemeines, Existentielles übersetzen. Jede Prosa muss auf festem Boden stehen. Und diese Erzählung stand eben auf dem Boden der Sowjetunion. Viele dieser Anspielungen werden ja heute gar nicht mehr verstanden. Auch deshalb finde ich es legitim, Änderungen vorzunehmen.
Zu Beginn unseres Gespräches hast du davon erzählt, dass es dir 1980 vorkam, als schaue in Moskau Lenin hinter jeder Ecke hervor und dass dich dies zur Figur des Idioten inspiriert hat. Wer ist dieser Idiot für dich heute?
Ganz einfach. Die Figur des Idioten ist ein Utopist. Er könnte eine kommunistische Utopie im Kopf haben oder irgendeine andere idiotische Utopie. Genau deshalb wäre es auch völlig falsch, diese Figur mit Putin gleichzusetzen. Denn der hat keine Utopie. Der ist einfach nur ein Hooligan. Ein grosser Gopnik auf Russisch. Wie im Titel meines Romans. Utopien sind, wie wir wissen, immer gefährlich. Lenin selbst wird nachgesagt, dass er in den letzten Jahren seines Lebens wahnsinnig geworden sei. Als ich meine Erzählung schrieb, war dieses Thema gerade sehr aktuell. Wenn du Utopist bist, gehörst du zu denen, die behaupten, zu wissen, was Wahrheit ist und was Lüge, in Wirklichkeit aber beides nach Belieben vertauschen. Das trifft natürlich auch auf Putin zu. Wir sind alle seine Geiseln. Geiseln seines Banditentums. Unter Lenin waren wir Geiseln seines Utopismus. Und auch wenn der Kommunismus furchtbar war und Schreckliches angerichtet hat, so lebte er doch von der Idee, eine Alternative zum Kapitalismus zu bieten. Im heutigen Russland geht es nicht mehr um Alternativen, es gibt keine Ideen mehr. Es geht nur um die Liebe zur Macht, zur Unsterblichkeit, zu sich selbst als Zar.
Das Gespräch führte Beate Breidenbach
Viktor Jerofejew wurde 1947 in Moskau geboren. 1979 brachte er sich durch seine Mitarbeit am Literaturalmanach «Metropol» in Gefahr. Es folgten Jahre des Publikationsverbots. Durch Bücher wie «Der gute Stalin», «Russische Apokalypse» und «Die Akimuden» international bekannt geworden, zählt Jerofejew heute zu den wichtigen kritischen Stimmen aus Russland. Nach Russlands Überfall auf die Ukraine 2022 ist Viktor Jerofejew mit seiner Familie nach Deutschland geflohen.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 116, Oktober 2024.
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Interview
Jeder hat einen inneren Idioten
Am 3. November hat die selten gespielte Oper «Leben mit einem Idioten» am Opernhaus Premiere. Regie führt Kirill Serebrennikov, dessen «Così fan tutte» 2018 in Zürich Furore machte, als er selbst noch in Moskau unter Hausarrest stand und die Proben nur über Video leiten konnte. Hier spricht er über seine Sicht auf Alfred Schnittkes aussergewöhnliches Werk.
Kirill, vor sechs Jahren haben wir hier am Opernhaus Zürich Mozarts Così fan tutte auf die Bühne gebracht, während du in Moskau unter Hausarrest standest. Wie ist es für dich, nun in Zürich zu sein?
Ich bin sehr glücklich darüber. Das Opernhaus ist ein tolles Haus mit wunderbaren Menschen. Ich werde die mutige Entscheidung, Così fan tutte ohne mich auf die Bühne zu bringen, nie vergessen. Es wäre sehr leicht gewesen, dieses Projekt einfach abzusagen. Aber das Risiko einzugehen, hat sich gelohnt – es ist eine sehr erfolgreiche Inszenierung geworden, die immer noch gespielt wird, zurzeit unter anderem an der Komischen Oper in Berlin. Das Opernhaus Zürich war das erste Theater, das sich auf eine Inszenierung eingelassen hat, bei der ich nicht selbst vor Ort sein konnte. Dazu gehörte viel Mut und die Überzeugung, dass man sich auf die Kräfte des Hauses verlassen kann. Andreas Homoki ist Regisseur, und wenn es komplett schief gegangen wäre, hätte er die Inszenierung selbst zu Ende bringen können. Es gibt nur noch sehr wenige Opernhäuser, die von einem Regisseur geleitet werden.
Nun inszenierst du Schnittkes Leben mit einem Idioten und kannst – zum Glück! – selbst die Proben leiten. Was ist das für ein Stück?
Das ist eine der verrücktesten Opern, die ich kenne. Sie steht für mich in einer Reihe mit Schostakowitschs Oper Die Nase und mit György Ligetis Le Grand Macabre. Schnittke ist, sozusagen, ein russischer Ligeti.
Was interessiert dich an dieser Oper?
Mir gefällt, dass dieses Stück durch seine offene, fast «traumwandlerische» Form der Regie viele Möglichkeiten bietet. Häufig empfinde ich die Musik in der Oper als einengend. Sie setzt Grenzen. Du musst das musikalische Narrativ bedienen. Im Fall von Schnittke ist das ganz anders, die Musik ist sehr biegsam, sie lässt viele Freiheiten. Und sie hilft dabei, Theater zu machen. Ich würde das Stück sogar nicht mal als Oper bezeichnen. Es ist für mich eher ein Schauspiel, in dem die Figuren sich auf eine sehr spezielle Art und Weise unterhalten, sich dabei eines sehr besonderen Hilfsmittels – nämlich der Musik und einer sehr komplizierten, fast extremen Art zu singen – bedienen. Um das zu realisieren, braucht man natürlich sehr spezielle Sängerinnen und Sänger. Und die haben wir!
Wie arbeitest du mit den Darstellerinnen und Darstellern?
Eher wie im Schauspiel als wie in der Oper. Wir erfinden alles gemeinsam, diskutieren über die Figuren, wie sie sich verhalten würden. Vieles entsteht erst während der Proben, das kommt eher selten vor in der Oper. Die Sängerinnen und Sänger bieten Dinge an, bringen ihre Ideen ein, auch auf musikalischer Ebene.
Nach der Uraufführung 1992 in Amsterdam war klar: Der Idiot, um den es hier geht, ist Lenin, das Stück ist eine Parodie auf das Leben in der Sowjetunion. Du gehst anders an diese Oper heran. Wer ist für dich dieser Idiot?
Die Zeit der Uraufführung war die Zeit nach der Perestrojka, als die Sowjetunion schon zusammengebrochen war. Die Erzählung von Viktor Jerofejew ist noch zehn Jahre früher entstanden und handelt davon, wie die Sowjetmacht alles zerstört. Dass die Figur mit dem Vornamen Wowa, also der Idiot, Lenin ist, hat damals niemand bezweifelt. Aber wer ist Lenin für uns heute? Für Russland ist er ein Monster, dessen Mumie bis heute im Mausoleum im Zentrum Moskaus liegt und der das Land in einen 100-jährigen Albtraum gestürzt hat, der bis heute andauert. Für die Einwohner Zürichs ist Lenin ein Name aus der Geschichte der Stadt: Lenin hat ja hier eine Zeit lang gelebt. Aber viele Menschen in Russland kennen diesen Lenin gar nicht mehr, erinnern sich nicht mehr an ihn. Kaum jemand erkennt auch die Revolutions-Lieder, die in die Partitur wie Zitate eingewoben sind. Wer also soll dieser Wowa, der das Leben einer Familie zerstört, heute sein? Putin? Ich will keine Oper über Putin machen. Ich will ihm kein Kunstwerk widmen. Ich möchte keine Kunst, die sich irgendwie allegorisch oder metaphorisch auf ihn bezieht. Wozu? Über Putin müssen die Zeitungen schreiben, man muss deutlich aussprechen, dass er derjenige ist, der den Krieg gegen die Ukraine angefangen hat und jeden Tag Kriegsverbrechen verübt. Er ist ein Kriegsverbrecher, fertig. Er verdient keine Oper.
Worum geht es also für dich in diesem Stück?
Um die Natur der Gewalt. Um die Zerstörung von Beziehungen. Um den Wahnsinn. In dieser Oper kann man vieles finden. Ich habe in ihr sogar Bezüge zu Ingmar Bergman entdeckt. Oder zu Fjodor Dostojewskis Erzählung Die Sanfte, in der die Hauptfigur den Tod seiner Frau rechtfertigt. Warum ist hier ein Mord passiert? Die Gründe dafür bleiben im Dunkeln. Als ob in einem Menschen irgend ein «Idiot» existieren würde, der ihm gewaltvolle Handlungen eingibt. Er ist wie ein Fehler im System. Wir nennen ihn den Schwarzen, er singt immer nur «Äch!». Sonst nichts. Er verkörpert den Wahnsinn unserer Hauptfigur – im Stück Ich –, die Stimmen in seinem Kopf. Er ist sein innerer Dämon. Ich denke dabei auch an einen meiner Lieblingsfilme, Idioten von Lars von Trier. Der erzählt von der Existenz eines inneren Idioten und davon, dass es wichtig ist, sich diesen inneren Idioten zu bewahren. Ein innerer Idiot, der es erlaubt, Grenzen auszutesten und zu verschieben. Aber auch ein Dämon, der tödlich werden kann. Es geht dabei um Sexualität, um Schönheit, Männlichkeit, Brutalität, auch um die Kunst als Projektion menschlichen Wahnsinns. Diese beide inneren Idioten kämpfen im Bewusstsein des Menschen gegeneinander. Manchmal fallen ihre Intentionen aber auch zusammen. Und es ist nicht klar, wer gewinnt. Das Stück ähnelt aber, was das Sujet und auch das Genre angeht, zugleich auch einem Thriller wie zum Beispiel Shining von Stanley Kubrick. Ein Mann und eine Frau leben als glückliches Ehepaar zusammen, und plötzlich bringt der Mann seine Frau um. Wir spielen die Oper auf Deutsch, haben hier und da Anpassungen an die Übersetzung gemacht, werden auch andere Musikstücke von Schnittke verwenden. Es ist also wirklich eine ganz neue Fassung der Oper, die hier entsteht.
Was für eine Bedeutung hat die Musik Schnittkes für dich?
Schnittkes Musik ist die Musik meiner Kindheit. Das mag seltsam klingen, aber es war so. Alle normalen Kinder hatten irgendwelche Märchenschallplatten, ich aber hatte aus irgendwelchen Gründen eine Schallplatte mit Musik für den ersten sowjetischen Synthesizer ANS, benannt nach dem Komponisten Alexander Nikolajewitsch Skrjabin. Ich vermute, das war damals ein Geschenk, als Dreingabe zu einer Kinderschallplatte, die in der Sowjetunion schwer zu bekommen war, während die Synthesizer Platte niemand haben wollte. Ich aber habe sie als Kind gehört, lieber als Märchen. Da gab es Musik der wichtigsten sowjetischen Avantgardisten: Sofia Gubaidulina, Edison Denissow und eben von Alfred Schnittke. Schnittkes Musik habe ich in der Folge oft gehört. Auch als Filmmusik zu Trickfilmen oder Kinofilmen. Seine Musik war überall. Der Tango, der auch im Leben mit einem Idioten erklingt, fand später Eingang in den Film Agonie von Elem Klimov und ins erste Concerto Grosso.
Eine wichtige Rolle in dieser Oper spielt – neben den drei bzw. vier Hauptfiguren Ich, Frau und Idiot – der Chor. Es ist eine grosse Herausforderung für den Chor, diese Oper aufzuführen. Wen verkörpert der Chor in dieser Oper?
Der Chor ist fast die ganze Zeit auf der Bühne. Er ist, in gewisser Weise, wie ein Spiegel des Zuschauerraums. Manchmal aber auch wie ein griechischer Chor in der antiken Tragödie, er kommentiert die Ereignisse oder verkörpert das Schicksal. Oder er wird zu Figuren im Stück, einmal sind die Choristinnen und Choristen die Freunde der Hauptfigur. Sie haben viele verschiedene Rollen. Und sie sind ein äusserst wichtiger Teil des Ganzen. Sie bilden den Rahmen für den ganzen Abend, mit ihnen beginnt und mit ihnen endet auch das Stück. Leben mit einem Idioten ist eine grosse Choroper. Zum Glück ist der Chor der Oper Zürich sehr wandlungsfähig und dynamisch.
Im Stück wird die Hauptfigur bestraft – wofür, erfahren wir nicht – und muss als Strafe einen Idioten bei sich zuhause aufnehmen. «Ich» geht also ins Irrenhaus und sucht sich dort jemanden aus. In unserer Aufführung findet diese Szene nicht im Irrenhaus, sondern in einer Galerie für moderne Kunst statt. Warum?
Wie gesagt, bei uns spielen zwei Darsteller den Idioten. Einer davon ist der Schauspieler Campbell Caspary. Er ist hier ein Performer, also jemand, der mithilfe seines Körpers Kunst schafft. Und den kauft sich unser Hauptdarsteller und nimmt ihn mit nach Hause. Mit seinem Körper gibt der Performer ein Statement ab. Oder er provoziert die Hauptfigur, oder er kommentiert die Vorgänge. Wie zum Beispiel die Wiener Aktionisten die Veränderungen im europäischen Bewusstsein nach dem Krieg kommentierten. Unsere Hauptfigur ist ein durchschnittlicher Mann. Er ist mit dem, was der Performer macht, mal einverstanden, mal macht es ihm eher Angst, mal kann er gar nichts damit anfangen. Wie du schon gesagt hast, erfahren wir nicht, warum die Hauptfigur bestraft wird; bei Jerofejew ist das eine dystopische Geschichte, in der Menschen, die sich schuldig gemacht haben, als Strafe der Gesellschaft jemanden bei sich zuhause aufnehmen müssen.
Bekommst du viel Inspiration aus der zeitgenössischen Kunst?
Ja, auf jeden Fall. Ich bin ständig in Museen unterwegs. Aber Kunst ist ja überall um uns herum. Für mich ist Theater übrigens auch Teil der zeitgenössischen Kunst. Zeitgenössische Kunst spricht vom Wesentlichen und Aktuellen: davon, wie sich die Welt verändert und wir uns in ihr, wie fragil der Mensch ist, davon, dass Gewalt im allgemeinen und der Krieg im Besonderen eine Katastrophe bedeutet, davon, dass wir liebevoll und verantwortungsvoll miteinander umgehen sollen und die Natur nicht zerstören dürfen, indem wir mehr Ressourcen verbrauchen als nötig. All dies sind Themen, die uns heute beschäftigen und sich auch in der zeitgenössischen Kunst widerspiegeln. Sie ist der beste Kommentar zur Gegenwart. Und in Analogie dazu kommentiert der Performer in unserer Aufführung die Vorgänge auf der Bühne.
Wer ist eigentlich diese Hauptfigur, und warum heisst sie einfach «Ich»?
«Ich» kann jeder im Zuschauerraum sein. Ein durchschnittlicher, europäischer Mann von heute. Durchaus begütert, normal, bürgerlich. Mit einem schönen Haus und ein bisschen Kunst. Erfolgreich, respektabel. Und er kriegt nun, wie soll man sagen, so ein Wehwehchen im Kopf.
Eine weitere Figur, eher eine Nebenfigur, heisst Marcel Proust. Was ist die tiefere Bedeutung dieser Figur?
Die Frau in dieser Oper liest immerzu Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Marcel Prousts Hauptwerk. In den Büchern von Marcel Proust geht es um Einsamkeit und Existentialismus. Und um ein Bewusstsein, das zerfällt, um die Zerstörung von Verbindungen ganz allgemein. Es sind Fragmente der Erinnerung, die eine Collage ergeben. Und genau diese nichtlineare Erzählweise ist auch für die Oper Schnittkes ganz zentral. Die Hauptfigur erlebt immer wieder so etwas wie einen Flashback, aber wir verstehen nicht so ganz, wie es denn nun wirklich war, wie die Frau zu Tode gekommen ist. Wer hat sie umgebracht? Und wie? Die Worte der Hauptfigur widersprechen sich immer wieder. Ein Mensch verirrt sich hier in seinen eigenen Erinnerungen. Wir werden auf der Bühne die immer gleiche Situation mehrmals wiederholen, um zu verstehen, ob «Ich» seine Frau nun ermordet hat oder nicht. Ob er schuldig ist oder nicht. Was eigentlich genau vorgefallen ist. Und was dieses unheilverkündende «Äch!» bedeutet, das er wieder und wieder hört.
Das Gespräch führte Beate Breidenbach
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 116, Oktober 2024.
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Volker Hagedorn trifft...
Bo Skovhus
Bo Skovhus stammt aus Dänemark. Die internationale Karriere des Baritons begann in Wien und führte ihn, etwa als Wozzeck, Lear und Beckmesser, an die bedeutendsten Opernhäuser und Festivals. Einen besonderen Schwerpunkt legt er auf Werke des 20. und 21. Jahrhunderts. An der Staatsoper Berlin ist er demnächst als Clov in Kurtágs «Fin de partie» und an der Opéra de Paris als Dante in Dusapins «Il Viaggio, Dante» zu erleben.
Eines schönen kalten Morgens im Jahr 1987, zur Weihnachtszeit, klingelt in Kopenhagen das Telefon bei Bo Skovhus. Der junge Mann nimmt den Hörer ab, hört jemanden auf Deutsch reden, irgendetwas mit Oper und Wien, lacht und legt gleich wieder auf. «Ich war am Abend vorher mit meinen Freunden unterwegs gewesen und dachte, die machen sich einen Spass mit mir.» Das Telefon klingelt erneut. Dieselbe Stimme, diesmal spricht der Mann englisch. Die Volksoper Wien fragt an, ob er zum Vorsingen kommen möge. Sie suchen einen neuen Don Giovanni, ein unbeschriebenes Blatt. Sie zahlen alles, Flug, Hotel… «Ich war noch nie bei einem Vorsingen! Und ich hab’ da vorgesungen.» So erzählt mir Bo Skovhus 37 Jahre später, wie es losging mit seiner Karriere. Wir sitzen in der Kantine der Oper Zürich, wo er die Partie des «Ich» in Alfred Schnittkes Leben mit einem Idioten probt, weit entfernt von jenem Beginn, der allerdings, wie Schnittkes letztes Werk, auch etwas Irreales hat, als Eingriff unberechenbarer Mächte. Aber der hatte natürlich eine Vorgeschichte. Skovhus, geboren im 10.000-Seelen-Städtchen Ikast, 250 Autokilometer und zwei Ostseebrücken entfernt von Kopenhagen, war über Schulchor und Blasmusik zum Singen gekommen und schliesslich, nach Überwinden elterlicher Vorbehalte, ans Opernstudio der dänischen Hauptstadt.
«Im Sommer dieses Jahres hatte ich eine Masterclass besucht, mit zwei tollen Sängern, Walter Berry und Sena Jurinac.» Mit der jugoslawisch-österreichischen Sopranlegende verstand sich der 25-Jährige gut, «ich hab’ sie gefragt, was muss ich tun? Ich möchte weg aus Dänemark!» Denn sehr viele Auftrittsmöglichkeiten boten die Häuser in Aarhus und Kopenhagen nicht. «Gib mir deine Telefonnummer.» Und die wählte dann jemand in Wien, wo 1988 der junge Däne nach dem Vorsingen in die Direktion gebeten wurde. «Vierter Stock. Da stand an der Tür nur: Eberhard Waechter. Den Namen kannte ich.» Waechter sang den Don Giovanni in der grandiosen Aufnahme mit Carlo Maria Giulini, die der Student besass. «Ich ging rein und fragte ihn, ob er auch gerade für Don Giovanni vorgesungen hätte.» Waechter lachte schallend. Er war Ende 50 und nicht mehr Sänger, sondern Direktor der Volksoper. Er engagierte den jungen Bariton, «und wenn das schief gegangen wäre, dann wäre ich Arzt geworden.» Es ging aber nicht schief.
Der steile Aufstieg zu den grossen Bühnen der Welt, der dann folgte, unterscheidet sich allerdings von vergleichbaren Karrieren in einem wichtigen Punkt. Skovhus interessiert sich, jenseits von Mozart bis Strauss, brennend auch für die Opern, die nicht zu den Kassenschlagern gehören (und doch oft das Potential dafür haben), deren Musiksprachen Dur und Moll und Kantilene hinter sich lassen und deren Helden oft alles andere als Helden sind – wie jener Wozzeck, mit dem ich Bo Skovhus zum ersten Mal erlebte. Bebend vor Präsenz, gefangen in Zwängen, alles wahr machend, was der Regisseur Peter Konwitschny in seiner – inzwischen legendären – Hamburger Inszenierung ersann. 1998 war das, aber weit weg ist es nicht. «Es war immer die Frage, ist Wozzeck ein Mörder oder nicht? Die Gesellschaft zwingt ihn zu dieser Tat», sagt Skovhus. «Da gibt es eine Parallele zum Leben mit einem Idioten. Wer begeht eigentlich den Mord an der Frau, wie kommt es dazu? Immer ist der Chor dabei und beobachtet und kommentiert, was in diesem Haus passiert und mit diesem eigentlich stinknormalen Paar. Plötzlich kommt eine dritte Person in diese Ehe, die alles auf den Kopf stellt.» Das ist der «Idiot», dem «Ich» gegenübersteht, der Ehemann. «Ich habe irrsinnige Schwierigkeiten, mich da hineinzufinden», gesteht Skovhus, «denn hier gibt’s keine Handlung, nur Bruchstücke. Da müssen wir schauen, dass wir’s irgendwie verbinden.»
Dazu kommt noch, dass Alfred Schnittke über Stimmen nicht viel wusste. «Er sagte selbst, ich habe eine Oper geschrieben, aber keine Ahnung davon. Das merkt man total. Wenn man die Aufnahme von der Uraufführung 1992 hört und die Noten anschaut – da stimmt gar nichts, so viel wurde geändert. Ich bin wohl der Erste, der versucht, es so zu singen, wie es dasteht. Ich habe eine sehr gute Höhe und komme da durch, manchmal im Falsett.» Skovhus ist auch physisch der Mann für Himmelfahrtskommandos, gross und durchtrainiert, und er liebt zerrissene Gestalten wie etwa Aribert Reimanns Lear. «Ein unglaublich tolles Stück, das hält sich. Genau wie Die Eroberung von Mexico von Wolfgang Rihm. Die haben beide so gut geschrieben!» Ein Fax von Rihm hat er sich aufgehoben. «Ich sagte ihm bei den Proben in Salzburg, wenn ich so viel gesungen habe, komme ich am Schluss nicht mehr auf das tiefe Fis. Dann kam nach zwei Stunden ein Fax mit Noten. Er hatte die letzten vier Takte umkomponiert!»
Dass man sogar bei Mozart etwas umkomponieren darf, erlebte er mit Nikolaus Harnoncourt. «Er sagte: ‹Die Rezitative dürft ihr gar nicht singen, nur sprechen!› Aber für die Sängerin, die im Figaro den Cherubino gesungen hat, waren ein paar Töne zu hoch notiert, um sie natürlich zu sprechen. ‹Dann oktavieren Sie’s›, hat er gesagt. Das konnte nur er sich erlauben!» Skovhus sang damals, 2006 in Salzburg, den Grafen. «Um die Rezitative kümmern sich heute nur noch wenige», meint er. «Meist wird viel gestrichen, damit wir so schnell wie möglich wieder ‹zur Musik› kommen, und das ist total falsch.» Wie man Rezitative zum Leben bringt, das vermittelt Bo Skovhus nun selbst den jungen Sängern der Opernstudios etlicher Theater. Und dass es nicht nur um «schöne Töne» geht. Dabei ist er ziemlich gnadenlos mit dem jungen Sänger, der er selbst war. «Ich war noch nicht dreissig, als ich mit Helmut Deutsch Die schöne Müllerin aufgenommen habe. Als ich das später wieder hörte, dachte ich, das bin nicht ich, das muss die falsche CD sein! Es klang völlig belanglos. Vielleicht ganz nett und schön, aber ohne Charakter.» An Schuberts Winterreise hat Bo Skovhus sich erst mit Fünfzig getraut. «Ich glaube, man muss etwas im Leben erlebt haben, um einen Zugang dazu zu finden.» Inzwischen singt er diesen Zyklus öfters mit Akkordeon statt Klavier, nicht nur, weil das so gut zum Lied Der Leiermann passt. «Man kann es im Park machen, unter einem Baum, man hat die Freiheit, rauszukommen zu Leuten, die normalerweise nicht in ein Konzert gehen.»
Dass auch viele Leute normalerweise nicht in die Oper gehen, hält Skovhus vor allem für ein Geldproblem. «Es ist so teuer! Da haben sie in Wien eine gute Lösung. Es gibt in der Staatsoper 400 Stehplätze, die zwischen sieben und zehn Euro kosten. Das bringt schon viel, auch ein ganz anderes Publikum.» Diese Stehplätze gab es schon, als er 1991 erstmals in diesem Haus auf der Bühne stand. Eberhard Waechter war sein Mentor, Korrepetitor, Freund und ausserdem Staatsoperndirektor geworden und liess ihn den Silvio im Bajazzo singen – neben Superstars wie José Carreras und Piero Cappuccilli. «Ich erinnere mich, als wir aus dem Bühneneingang kamen, lagen da die Leute im Freien auf ihren Matten. Sie warteten tagelang, um Stehplätze zu bekommen! Ein Riesending. Sowas gibt’s heute nicht mehr.» Er lacht. «Jetzt rede ich von damals wie ein Alter, furchtbar.» Das «ch» in «furchtbar» spricht er im Rachen, wie ein Wiener. Tatsächlich ist Skovhus immer in Wien geblieben, er hat eine Wienerin geheiratet – und ist froh, dass seine Tochter Ärztin geworden ist und nicht auch Sängerin. «Es ist so schwer geworden für junge Sänger, wir haben es einfacher gehabt. Als ich anfing, gab es noch den Eisernen Vorhang zwischen Osten und Westen, erst in den Neunzigern kamen die vielen guten Sänger aus dem Osten. Und die Plattenfirmen hatten noch Geld. Für die Lustige Witwe mit John Eliot Gardiner wurde vierzehn Tage lang der grosse Musikvereinssaal gemietet, für eine Stunde Musik! Wahnsinn. Heute ist man froh, wenn es noch einen Livemitschnitt gibt.» Aber die «unglaubliche Glut» der Wiener, diese Kulturbesessenheit, die sei immer noch da.
Nostalgisch ist er gar nicht, eher unternehmungslustig und gespannt. Nach dem Leben mit einem Idioten in Zürich wartet in Berlin schon György Kurtágs Beckett-Oper Fin de partie auf ihn. «Kompliziert?» Er lacht. «Nicht nach diesem hier!»
Das Gespräch führte Volker Hagedorn.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 116, Oktober 2024.
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Wie machen Sie das, Herr Bogatu?
Warm duschen auf der Bühne
Die literarische Vorlage für die Oper «Leben mit einem Idioten» schreckt vor drastischen Bildern nicht zurück. Sie entstehen bereits im Kopf beim Lesen des Librettos von Viktor Jerofejew. Darin erzählt beispielsweise die weibliche Hauptfigur an einer Stelle, wie sie von dem «Idiot», der der Oper den Namen gibt, getötet wurde, indem er ihr mit einer grossen Gartenschere den Kopf abgeschnitten hat.
Der Regisseur von «Leben mit einem Idioten», Kirill Serebrennikov, setzt ebenfalls auf die Vorstellungskraft des Publikums, und deshalb wird die weibliche Hauptfigur in seiner Inszenierung nicht geköpft. Serebrennikov wird durch das Vergiessen von Theaterblut und anderen pigmentierten Flüssigkeiten unsere Fantasie anregen. Als Flüssigkeiten nutzen wir im Theaterbetrieb sogenannte Körperfarben und Theaterblut, also Flüssigkeiten, die hergestellt wurden, um sie gesundheitlich unbedenklich deckend auf einen Körper aufzutragen und auch wieder leicht entfernen zu können. In unserer Aufführung wird der «Idiot» von einem Sänger und einem Schauspieler verkörpert. Und dieser Schauspieler, Campbell Caspary, übergiesst und bemalt sich auf offener Bühne mit Farbe und nutzt dann eine in das Bühnenbild integrierte Dusche, um die schwarze, weisse und rote Farbe wieder loszuwerden. Unsere Maskenabteilung hat damit in diesem Falle nicht viel zu tun, deren handwerkliche Kunst besteht darin, Campbell vor jeder Vorstellung einige Tätowierungen aufzumalen, die wiederum nicht durch das Wasser der Dusche gelöst werden dürfen. Diese Tätowierungen sind unbedenklich für die Haut auf Basis von Öl hergestellt worden und lassen sich nicht einfach abduschen.
Apropos einfach abduschen: Eine Dusche im Bühnenbild ist eigentlich keine grosse Sache. Man kauft einen Duschschlauch mit Armatur, eine Duschwanne und baut aus ein paar Sperrhölzern, Plexiglas, wasserfester Farbe und Dichtungsmasse eine Duschkabine fast wie Zuhause. Wenn die Dusche nur kurz genutzt wird, braucht es – anders als Zuhause – oben hinter der Sperrholzwand nur einen Kanister mit warmem Wasser, den man mittels Schlauch an die Armatur anschliesst, und eine Duschwanne unten, in der sich das Wasser sammeln kann. Doch dann kommt der Wunsch des Regisseurs, dass diese Kabine wie eine Türe ins Bühnenbild hinein und wieder heraus schwenken soll, und dass sich unser Schauspieler in dieser Dusche mehrmals warm duschen können muss. Und schon steht die Duschwanne samt Kabine und Wänden auf Rollen und kriegt einen Warm- und Kaltwasseranschluss sowie einen fachmännisch abgedichteten Ablauf mit Abwasserleitung in die Unterbühne. Es ist eigentlich genau wie Zuhause, zumindest wenn man eine Kabine auf Rollen hat. In jedem Fall kann Campbell nun prima seine Farbe wieder loswerden.
Apropos Farbe loswerden: Die Tätowierungen lassen sich zwar nicht mit Wasser wegduschen, mit etwas Öl kriegt man die Bilder nach der Vorstellung ebenfalls wieder von der Haut.
Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 116, Oktober 2024.
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Drei Fragen an Andreas Homoki
Einer, der Widerstand aushält
«Wir erinnern uns: Er sass in Russland im Hausarrest, durfte das Land nicht verlassen, und wir haben die Produktion trotzdem gemeinsam mit ihm und seinen Assistenten realisiert. Danach wollte ich unbedingt ein weiteres Projekt mit ihm verabreden, und mir fiel die Schnittke Oper wieder ein. Ich war mir sicher, dass das etwas für ihn sein würde.»
Herr Homoki, Anfang November wird Kirill Serebrennikov die Oper Leben mit einem Idioten von Alfred Schnittke auf die Bühne bringen. Wie kam es zu diesem Projekt?
Anfang der 1990er Jahre bin ich zum ersten Mal auf die Musik von Alfred Schnittke aufmerksam geworden, in einer Konzertreihe bei den Salzburger Festspielen. Ich war sofort begeistert von dieser ungewöhnlichen Form von zeitgenössischer Musik. Ich fand sie humorvoll, abgründig, polemisch, avanciert und zugleich überraschend undogmatisch und zugänglich, nicht so hermetisch wie viele andere Kompositionen, die in der damaligen Zeit geschrieben wurden. Nach der Urauführung von Life with an Idiot in Amsterdam wollte ich diese Oper unbedingt selbst inszenieren. Ich war fasziniert von dem Stoff, der den Einbruch des Absurden und einer bizarren Irrationalität in das normale Leben eines Ehepaares zum Thema macht. Ich fand die diskontinuierliche Erzählform spannend, dieses zeitliche Hin und Her, die wechselnden dramatischen Funktionen des Chores und vieles andere mehr. In meiner Zeit als Intendant der Komischen Oper hat es aus verschiedenen Gründen aber nie geklappt, die Oper auf den Spielplan zu setzen. Auch in Zürich war der Titel immer wieder im Gespräch, ohne dass es konkret wurde, bis Kirill Serebrennikov vor sechs Jahren Così fan tutte unter speziellen Umständen bei uns in szeniert hatte. Wir erinnern uns: Er sass in Russland im Hausarrest, durfte das Land nicht verlassen, und wir haben die Produktion trotzdem gemeinsam mit ihm und seinen Assistenten realisiert. Danach wollte ich unbedingt ein weiteres Projekt mit ihm verabreden, und mir fiel die Schnittke Oper wieder ein. Ich war mir sicher, dass das etwas für ihn sein würde. Er hat auch sofort grosses Interesse signalisiert. Er kannte die Musik von Schnittke, den Autor des Librettos Viktor Jerofejew und sowieso die Absurditäten, um die es in dem Stück geht. Er hat sie ja am eigenen Leib erfahren, als er in Moskau unter anderem dafür angeklagt war, Gelder für eine Theater Produktion veruntreut zu haben, die angeblich nie stattgefunden hat. Die gab es aber.
Was schätzen Sie an Serebrennikov?
Dass er eine vielfach begabte, charismatische Künstler-Persönlichkeit ist und extremen Widerstand aushält. Das hat er auf bewundernswerte Weise in der Zeit seines Hausarrests gezeigt. Er ist unbeirrbar und unabhängig auf seinem künstlerischen Weg. Dass er Filmemacher ist, Schauspielregisseur und ein experimentelles Theater in Moskau geleitet hat, macht ihn ausserdem für die Oper interessant, weil er sich der Gattung mit einem Blick von aussen nähert und neue ästhetische Ideen einbringt. Ich schätze besonders, dass er gleichzeitig genau weiss, wie die Kunstform Oper funktioniert, und da meine ich nicht nur die Produktionsabläufe, sondern vor allem die theatrale Wirkung, den Umgang mit der Tatsache, dass gesungen wird oder ein Chor auf der Bühne steht. Eine solche Musiktheaterintelligenz, wie Kirill sie besitzt, findet man selten bei sogenannten Quereinsteigern.
Wird Serebrennikov Schnittkes Oper nutzen, um die politischen Zustände in Putins Reich zu kritisieren?
Das wäre viel zu kurz gedacht. Für tagesaktuelle Kritik eignet sich diese Oper nicht. Das Stück ist eine Parabel, und deshalb offen für verschiedenste interpretatorische Ansätze. Kirill will seine Inszenierung bewusst wegrücken vom Russland der Gegenwart, eine für mich vollkommen nachvollziehbare Entscheidung. Er geht seinen eigenen künstlerischen Weg, wie immer. Und ich habe vollstes Vertrauen in das, was er gerade auf unserer Probebühne erarbeitet.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 116, Oktober 2024.
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Biografien
Jonathan Stockhammer, Musikalische Leitung
Jonathan Stockhammer
Der in Los Angeles geborene Dirigent Jonathan Stockhammer liebt die Oper genauso wie experimentelle Uraufführungen oder unkonventionelle Konzertformate. Sein Talent, Musik zu erklären und das Publikum als Dialogpartner zu begreifen, macht Musik versteh- und erlebbar. Zu seinen Dirigaten zählen u.a. Zemlinskys Eine florentinische Tragödie sowie Wolfgang Rihms Proserpina und Deus Passus. 2013 gab er sein Debüt an der New York City Opera in Thomas Adès‘ Powder her Face. 2016 war er für Peter Eötvös‘ Tri Sestri (Drei Schwestern) an der Wiener Staatsoper zu Gast, an die er 2020 zurückkehrte. Nach Philip Glass’ Satyagraha an der Komischen Oper Berlin und am Theater Basel dirigierte er in Basel Luigi Nonos Al gran sole carico d’amore. Er gab seine Debüts an der Opera Vlaanderen (Satyagraha), der Oper Frankfurt (Das schlaue Füchslein) sowie beim Staatsballett Berlin (Onegin), leitete die Eröffnungsproduktion Bovary für Christian Spucks Intendanz am Staatsballett Berlin und war am New National Theatre Tokyo mit Dialogues des Carmélites zu erleben. Im sinfonischen Bereich arbeitete er u.a. mit dem London Symphony Orchestra, Oslo Philharmonic, NDR Sinfonieorchester Hamburg, hr-Sinfonieorchester, Sydney Symphony, Seoul Philharmonic und mit der Dresdner Philharmonie. Seine Einspielung Greggery Peccary & Other Persuasions mit Werken von Frank Zappa und mit dem Ensemble Modern (RCA, 2003) wurde mit einem ECHO Klassik ausgezeichnet. Die von ihm dirigierte Liveaufnahme The New Crystal Silence mit Chick Corea, Gary Burton und dem Sydney Symphony Orchestra erhielt 2009 einen Grammy.
Kirill Serebrennikov, Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme
Kirill Serebrennikov
Kirill Serebrennikov ist Theater-, Opern-, Film- und Fernsehregisseur. 2012-2020 leitete er das Gogol-Center in Moskau. Der studierte Physiker führt seit 1994 Regie; Salome an der Oper Stuttgart im Herbst 2015 sowie Il barbiere di Siviglia an der Komischen Oper Berlin 2016 waren erste Arbeiten ausserhalb Russlands. Zu seinen Auszeichnungen zählen der East of West Award beim Karlovy Vary Filmfestival (2005) sowie der russische Theaterpreis Goldene Maske (2012). Sein Film Ismena (Untreue) wurde 2012 mit dem Grand Prix des Filmfestivals in Rom ausgezeichnet und für den Goldenen Löwen beim Filmfestival in Venedig nominiert. Seine Theaterinszenierungen wurden zu den Wiener Festwochen, an die Schaubühne Berlin, ans Deutsche Theater Berlin und zum Theaterfestival in Avignon eingeladen. Serebrennikov wurde im August 2017 während der Dreharbeiten zu seinem Film Leto festgenommen und stand bis April 2019 in Moskau unter Hausarrest. Die in dieser Zeit entstandenen Inszenierungen von Così fan tutte in Zürich und Nabucco in Hamburg hat er durch Videobotschaften geleitet. 2021 inszenierte er so auch Parsifal an der Wiener Staatsoper und Die Nase an der Staatsoper München; sein Spielfilm Petrov’s Flu wurde zum Filmfestival in Cannes eingeladen. Im Januar 2022 durfte er aus Russland ausreisen und konnte Tschechows Der schwarze Mönch am Thalia Theater Hamburg selbst zur Premiere bringen. Er lebt nun in Berlin und ist «Artist in Residence» am Hamburger Thalia Theater. Im Juni 2022 wurde das Gogol-Center von der russischen Regierung geschlossen. In der Oper inszenierte er zuletzt u.a. den Freischütz in Amsterdam, Lohengrin in Paris und Don Carlo in Wien.
Franck Evin, Lichtgestaltung
Franck Evin
Franck Evin, geboren in Nantes, ging mit 19 Jahren nach Paris, um Klavier zu studieren. Nachts begleitete er Sänger im Café Théâtre Le Connetable und begann sich auch für Beleuchtung zu interessieren. Schliesslich entschied er sich für die Kombination aus Musik und Technik. Dank eines Stipendiums des französischen Kulturministeriums wurde er 1983 Assistent des Beleuchtungschefs an der Opéra de Lyon. Hier arbeitete er u. a. mit Ken Russel und Robert Wilson zusammen. Am Düsseldorfer Schauspielhaus begann er 1986 als selbstständiger Lichtdesigner zu arbeiten und legte 1993 die Beleuchtungsmeisterprüfung ab. Besonders eng war in dieser Zeit die Zusammenarbeit mit Werner Schröter und mit dem Dirigenten Eberhard Kloke. Es folgten Produktionen u. a. in Nantes, Strassburg, Paris, Lyon, Wien, Bonn, Brüssel und Los Angeles. Von 1995 bis 2012 war er Künstlerischer Leiter der Beleuchtungsabteilung der Komischen Oper Berlin und dort verantwortlich für alle Neuproduktionen. Hier wurden besonders Andreas Homoki, Barrie Kosky, Calixto Bieto und Hans Neuenfels wichtige Partner für ihn. Im März 2006 wurde Franck Evin mit dem «OPUS» in der Kategorie Lichtdesign ausgezeichnet. Seit Sommer 2012 arbeitet er als künstlerischer Leiter der Beleuchtungsabteilung an der Oper Zürich. Franck Evin wirkt neben seiner Tätigkeit in Zürich weiterhin als Gast in internationalen Produktionen mit, etwa an den Opernhäusern von Oslo, Stockholm, Tokio, Amsterdam, München, Graz sowie der Opéra Bastille, der Mailänder Scala, dem Teatro La Fenice, der Vlaamse Opera und bei den Bayreuther Festspielen.
Ilya Shagalov, Video
Ilya Shagalov
Ilya Shagalov wurde in Krasnodar, Russland, geboren und studierte zunächst Schauspiel an der Staatlichen Hochschule für Kunst und Kultur seiner Heimatstadt. Anschliessend studierte er Theaterregie bei Kirill Serebrennikov an der Theaterschule des Moskauer Tschechow-Künstlertheaters. Neben seiner Tätigkeit als Regisseur arbeitet er als Videokünstler, Bühnenbildner und Komponist. Er führte Regie bei verschiedenen Theaterprojekten in Russland und im Ausland, u.a. inszenierte er Träume vom Minotaurus am Theater der Nationen Moskau, Nahe Null von Natan Dubowizki an der Schaubühne Berlin, Mein Moskau am Moskauer Gogol Zentrum, Evgeny Zamyatins We am Theater in Rouen, Frankreich, sowie Venus im Pelz von Sacher-Masoch am Russischen Theater in Tallin. Ab 2013 war Ilya Shagalov am Gogol Zentrum fest engagiert. Mit Kirill Serebrennikov verbindet ihn seit seinem Studium eine enge Zusammenarbeit und er produzierte die Videos für eine Vielzahl seiner Produktionen, u.a. für Woyzeck am Nationaltheater Lettland, Salome und Hänsel und Gretel an der Oper Stuttgart, Il barbiere di Siviglia an der Komischen Oper Berlin, Nabucco an der Staatsoper Hamburg sowie Parsifal und Don Carlo an der Wiener Staatsoper.
Evgeny Kulagin, Choreografie und Regiemitarbeit
Evgeny Kulagin
Evgeny Kulagin, geboren 1981, schloss die Akademie für Kunst und Kultur in seiner Heimatstadt Tscheljabinsk ab. 2002 gründete er gemeinsam mit Ivan Estegneyev in Kostrom die zeitgenössische Tanzkompanie «Dialogue Dance», die sich bald nach ihrer Gründung zu einem wichtigen Zentrum für zeitgenössischen russischen Tanz entwickelte. Die Aufführungen der Kompanie wurden dreimal mit der renommierten «Goldenen Maske» ausgezeichnet. Kulagin und seine Kompanie arbeiteten mit den wichtigsten Kompanien und Choreograf:innen Russlands, der Niederlande, Belgiens, Frankreichs und Österreichs zusammen. Evgeny Kulagin ist auch im Sprechtheater und für den Film als Choreograf und Regisseur tätig. Ab 2014 war er als Regisseur und Choreograf im Moskauer Gogol Center unter der Leitung von Kirill Serebrennikov engagiert. Dort inszenierte und choreografierte er Shakespeare (2017) und Zwei Zimmer (2018). Mit Kirill Serebrennikov erarbeitete er bereits zahlreiche Inszenierungen sowohl im Sprechtheater als auch in der Oper. 2018 realisierten sie gemeinsam den Film Leto (Sommer), der im selben Jahr bei den Filmfestspielen in Cannes und auch am Zurich Film Festival zu sehen war. Kulagin brachte die Inszenierungen von Kirill Serebrennikov in Zürich (Così fan tutte), an der Bayerischen Staatsoper (Die Nase) und an der Wiener Staatsoper (Parsifal) auf die Bühne, während Serebrennikov in Moskau unter Haausarrest stand. Zuletzt erarbeitete er mit Serebrennikov u.a. Der Freischütz (Amsterdam), Le nozze di Figaro (Komische Oper Berlin) und Don Carlo (Wien). Am Hamburger Thalia Theater inszenierte Kulagin den Abend Apocalypse Tomorrow.
Olga Pavluk, Bühnenbildmitarbeit
Olga Pavluk
Olga Pavluk studierte Bühnenbild und Bühnentechnik an der Moskauer Art Theatre School. Von 2009 bis 2023 war sie Bühnenbildkonstrukteurin am Bolschoi-Theater in Moskau. Bei der Prager Quadriennale VIII im Jahr 2015 hatte sie die technische Leitung für den Ausstellungsbeitrag der Russischen Föderation inne. Sie ist Dozentin für Bühnenbildtechnik an der Moskauer Kunsttheaterschule und der British Higher School of Art and Design. Ausserdem ist sie Mitglied der Internationalen Organisation für Bühnenbild, Theaterarchitektur und -technik. Sie arbeitet eng mit Kirill Serebrennikov im Bereich Bühnenbild zusammen, u.a. bei An Ordinary Story (2014), Who Is Happy in Russia? (2015), Kafka (2016) und The Little Tragedies (2017), alle am Gogol Center in Moskau. In Deutschland entstanden Nabucco (2019) an der Staatsoper Hamburg, Decameron (2020) am Deutschen Theater Berlin und am Gogol Center, Die Nase (2021) an der Bayerischen sowie Parsifal (2021) an der Wiener Staatsoper. Weitere Zusammenarbeiten mit Serebrennikov führten sie 2022 mit Der schwarze Mönch an das Festival d’Avignon, das Hamburger Thalia-Theater und das Moskauer Gogol Center sowie mit Der Freischütz an die Dutch National Opera. 2023 entstand Lohengrin an der Opéra Bastille.
Tatiana Dolmatovskaya, Kostümmitarbeit
Tatiana Dolmatovskaya
Tatyana Dolmatovskaya studierte Literatur in Moskau und Kostümdesign am Wimbledon College of Art. Sie war zunächst Chefredakteurin der russischen Vogue. Seit 2007 entwirft sie Kostüme für Film und Theater. Als Kostümassistentin arbeitete sie mit den Filmregisseuren Kenneth Branagh (Jack Ryan, Shadow Recruit) und Joe Wright (Anna Karenina) zusammen und war zudem als Assistentin bei der Serie The Americans engagiert. Für zahlreiche russische Filmproduktionen entwarf sie die Kostüme. Für das Theater entwarf sie u.a. Kostüme am Moscow Art Theater und am Stanislawski-und-Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater. Mit Kirill Serebrennikov arbeitete sie bereits bei dessen Filmen Leto und The Student zusammen und übernahm u.a. die Kostümmitarbeit für seine Inszenierungen von Così fan tutte am Opernhaus Zürich, Nabucco an der Staatsoper Hamburg, Die Nase an der Bayerischen Staatsoper, Parsifal an der Wiener Staatsoper, Lohengrin an der Pariser Opéra und Le nozze di Figaro an der Komischen Oper Berlin.
Shalva Nikvashvili, Masken
Shalva Nikvashvili
Shalva Nikvashvili wurde in Signagi in Georgien geboren. Er studierte Modedesign in Tiflis und Bildhauerei an der Koninklijke Academie voor Schone Kunsten in Antwerpen. Schon während seiner Ausbildung begann er, aus vorgefundenen Materialien Masken zu erstellen.
Seine Werke wurden in Galerien und Museen wie dem Molt in Berlin, dem Design Museum in Gent, dem Mom Art Space in Hamburg, der Architekturgalerie in München, dem Museum van de Geest in Amsterdam, dem Palais de Tokyo in Paris und im Rahmen des Antwerp Art Weekends in Antwerpen ausgestellt. Zudem kollaborierte er mit Designern der Brand Marni für die Mailänder Fashion Week und der Brand Keenkee für die New Yorker Fashion Week. Als Kostümdesigner wurde Shalva Nikvashvili u.a. für Kirill Serebrennikovs Die Nase an der Bayerischen Staatsoper und Der WIJ am Thalia Theater Hamburg sowie für Daniel Kramers Engel in Amerika am Burgtheater Wien engagiert.
Janko Kastelic, Choreinstudierung
Janko Kastelic
Janko Kastelic ist ein kanadisch-slowenischer Dirigent, Chorleiter, Pianist und Organist. Er begann seine musikalische Ausbildung in Kanada am Royal/Western Conservatory of Music und der St. Michael‘s Choir School. Er hat einen Abschluss in Dirigieren, Komposition und Musiktheorie von der Universität Toronto und setzte sein Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien fort. Seit 2017 ist er Chordirektor am Opernhaus Zürich. Er war einer der Kapellmeister der Wiener Hofmusikkapelle, Studienleiter des JET-Programms für junge Sänger am Theater an der Wien und Assistent bei den Bayreuther Festspielen sowie Gastchordirektor an der Hamburgischen Staatsoper. Zu den Positionen, die er im Lauf seiner Karriere bekleidet hat, gehört auch die Stelle des Generalmusikdirektors und Operndirektors am Slowenischen Nationaltheater Maribor, des Zweiten Chordirektors an der Wiener Staatsoper sowie des Korrepetitors an der Opéra National de Paris. Er war Assistenzprofessor an der Universität Ljubljana und Mentor an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. Seine künstlerischen Leistungen sind dokumentiert auf mehreren Live-Aufnahmen, darunter Tschaikowskis Pique Dame und Schönbergs Moses und Aron. Er arrangierte und dirigierte auch Werke für die Feierlichkeiten zum Mozartjahr 2006. Zu seinen Arbeiten beim Klangbogen-Festival in Wien gehört die europäische Erstaufführung von Blochs Macbeth. Janko Kastelic ist auch ein engagierter Pädagoge, der sich der Förderung der nächsten Generation von Musikerinnen und Musikern verschrieben hat.
Johannes Knecht, Choreinstudierung
Johannes Knecht
Johannes Knecht, geboren in Speyer am Rhein, studierte Musik- und Literaturwissenschaften in Saarbrücken sowie Violine, Klavier und Dirigieren in Mannheim und Köln. Nach Stationen als Kapellmeister an den Bühnen in Pforzheim, Coburg und Wuppertal kam er 2001 ans Staatstheater Stuttgart, wo er 17 Jahre lang als Chordirektor den Staatsopernchor Stuttgart leitete; diese Zusammenarbeit wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Auszeichnungen gewürdigt. Von 2017 bis 2020 war er Chordirektor an der Opéra national de Lyon. Gastengagements verbinden ihn mit den Rundfunkchören des SWR, NDR und WDR, mit Festivals wie den Opernfestspielen Schloss Glatt, dem Budapester Frühlingsfest, dem Lucerne Festival und den Osterfestspielen Baden-Baden sowie dem Opernhaus La Monnaie in Brüssel (Carmen und Parsifal). Ausserdem wirkt er als Juror bei internationalen Wettbewerben. Seit 2003 ist er Künstlerischer Leiter des Philharmonia Chores Stuttgart und pflegt eine regelmässige Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Kammerorchester, den Stuttgarter Philharmonikern und der Württembergischen Philharmonie Reutlingen. Er unterrichtet als Professor für Chorleitung an den Musikhochschulen in Stuttgart und Lübeck, wo er auch die Leitung der Hochschulchöre innehat, und gibt Meisterkurse im In- und Ausland, jüngst im Februar 2024 in Danzig. Zuletzt übernahm er die Chorleitung u.a. in Boris Godunow und Don Carlo an der Bayerischen Staatsoper.
Ernst Raffelsberger, Choreinstudierung
Ernst Raffelsberger
Ernst Raffelsberger stammt aus Gmunden, Oberösterreich. Er studierte Musikpädagogik und Kirchenmusik an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien (Chorleitung bei Prof. Erwin Ortner) und anschliessend Chordirigieren am Salzburger Mozarteum bei Prof. Walter Hagen-Groll. Von 1983 bis 1986 war er Kapellmeister der Wiener Sängerknaben. In dieser Zeit leitete er das Ensemble in Wien und auf Tourneen durch Europa, Südafrika, Kanada und die USA. Ab 1986 war Ernst Raffelsberger Chordirektor und Kapellmeister am Landestheater Salzburg (Mitwirkung bei der Salzburger Mozartwoche und den Salzburger Festspielen). 1989 wurde er von Donald Runnicles als Chordirektor und Kapellmeister an das Theater in Freiburg/Breisgau berufen. Seit Herbst 1993 ist Ernst Raffelsberger am Opernhaus Zürich als Chordirektor engagiert. Hier hat er inzwischen über 100 Premieren betreut und mit vielen namhaften Dirigenten wie Riccardo Chailly, Christoph von Dohnányi, Vladimir Fedoseyev, Sir John Eliot Gardiner, Daniele Gatti, Bernard Haitink, Nikolaus Harnoncourt, Zubin Mehta und Franz Welser-Möst zusammengearbeitet. Gastspiele mit dem Opernhaus Zürich führten ihn nach Wien, London, Paris und Tokio. Zahlreiche CD- und DVD-Aufnahmen dokumentieren diese Arbeit. Im Sommer 2012 begann zusätzlich seine Tätigkeit als Chordirektor der Salzburger Festspiele. Er ist dort für die Produktionen der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor verantwortlich. In seiner ersten Festspielsaison kam es u. a. zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit Riccardo Muti und Sir Simon Rattle.
Beate Breidenbach, Dramaturgie
Beate Breidenbach
Beate Breidenbach studierte zuerst Violine, dann Musikwissenschaft und Slawistik in Nowosibirsk, Berlin und St. Petersburg. Nach Assistenzen an der Staatsoper Stuttgart und der Staatsoper Unter den Linden Berlin wurde sie als Musikdramaturgin ans Theater St. Gallen engagiert, drei Jahre später wechselte sie als Dramaturgin für Oper und Tanz ans Theater Basel. Anschliessend ging sie als Operndramaturgin ans Opernhaus Zürich, wo sie bisher mit Regisseurinnen und Regisseuren wie Calixto Bieito, Dmitri Tcherniakov, Andreas Homoki, Herbert Fritsch, Nadja Loschky, Kirill Serebrennikov und anderen arbeitete und die Entstehung neuer Opern von Pierangelo Valtinoni, Michael Pelzel, Samuel Penderbayne und Jonathan Dove betreute. Gastdramaturgien führten sie u.a. an die Potsdamer Winteroper (Le nozze di Figaro, Regie: Andreas Dresen), zum Schweizer Fernsehen (La bohème im Hochhaus) und 2021 an die Opéra de Génève (Krieg und Frieden, Regie: Calixto Bieito). Mit Beginn der Spielzeit 2026/27 wird sie als Chefdramaturgin an die Deutsche Oper Berlin wechseln.
Daniil Orlov, Dramaturgie
Daniil Orlov
Der in Russland geborene Daniil Orlov ist Pianist, Arrangeur und Komponist. Seine Ausbildung erhielt er am staatlichen Konservatorium in Moskau (in der Klasse von Ksenia Knorre) und im Young Artists Opera Program des Bolschoi-Theaters in Moskau. Ausserdem nahm er am Ausbildungsprogramm des Opernstudios der Komischen Oper Berlin teil. In Moskau hat er an verschiedenen Theatern als musikalischer Ko-Autor an dramatischen Darbietungen mitgewirkt. Seit 2018 ist er in enger Zusammenarbeit mit Regisseur Kirill Serebrennikov verbunden, den er musikdramaturgisch berät, u. a. in den Produktionen von Così fan tutte am Opernhaus Zürich, Nabucco an der Staatsoper Hamburg, Parsifal an der Wiener Staatsoper, Die Nase an der Bayerischen Staatsoper, Der Freischütz an der Dutch National Opera, Le nozze di Figaro an der Komischen Oper Berlin und Lohengrin an der Opéra Bastille. Darüber hinaus komponierte er die Filmmusik zu Serebrennikovs Spielfilm Tchaikovsky’s Wife, der 2022 Teil des Hauptprogramms des Filmfestivals von Cannes war. Seit 2022 lebt und arbeitet er in Deutschland.
Bo Skovhus, Ich
Bo Skovhus
Bo Skovhus, Bariton, studierte am Aarhus Music Institute, der Royal Opera Academy in Kopenhagen und in New York. Bedeutende bisherige Engagements waren Reimanns Lear an der Pariser Oper, Beckmesser in Die Meistersinger von Nürnberg an der Bastille und bei den Wagner-Festspielen in Budapest, Titus in Bérénice von Michael Jarrell an der Pariser Oper sowie Mandryka in Arabella in Dresden. Ausserdem sang er die Titelpartie in Wozzeck an der Deutschen Oper am Rhein und Dr. Schön in Lulu an der Wiener Staatsoper, gefolgt von Šiškov in Aus einem Totenhaus an der Bayerischen Staatsoper, Jean-Charles in Werner Henzes Das Floss der Medusa in Amsterdam und die Titelrollen in Ernst Kreneks Karl V. an der Bayerischen Staatsoper, Lear am Maggio Musicale Fiorentino und Eugen Onegin an der Hamburgischen Staatsoper. Jüngste Auftritte waren u.a. Ryuji in Henzes Das verratene Meer an der Wiener Staatsoper, Eisenstein (Die Fledermaus) in Hamburg, Jaroslav Prus (Die Sache Makropulos) in Berlin und Amsterdam, Platon Kusmitsch Kowaljow (Die Nase) in Dresden, Dr. Schön (Lulu) bei den Wiener Festwochen, Faninal (Der Rosenkavalier) in Genf und Lear am Teatro Real in Madrid. Neben Opernauftritten widmet sich Bo Skovhus mit grossem persönlichem Engagement dem Lied- und Konzertgesang. Jüngst gab er einen Liederabend im Haus der Künste in Budapest. Dem Künstler wurden die Titel «Österreichischer Kammersänger» und «Bayerischer Kammersänger» verliehen.
Susanne Elmark, Frau
Susanne Elmark
Die deutsch-dänische Koloratursopranistin Susanne Elmark war in den letzten zwanzig Jahren Gast an den grössten Opern- und Konzerthäusern der Welt. Mit Rollen wie Zerbinetta (Ariadne auf Naxos), Königin der Nacht (Die Zauberflöte), Konstanze (Die Entführung aus dem Serail) und Marie (Die Soldaten) gastierte sie u.a. an der Deutschen Oper Berlin, Bayerischen Staatsoper München, Staatsoper Hamburg, am Gran Teatre del Liceu Barcelona, Teatro Real Madrid, der Opera Oslo, Oper Frankfurt, Oper Köln, dem Opernhaus Zürich, der Wiener Volksoper, Königlichen Oper Kopenhagen und am Teatro Colón in Buenos Aires. Sie sang die Uraufführung von Toshio Hosokawas Oper Stilles Meer an der Staatsoper Hamburg und führte 2011 mit dem Ensemble Incontemporain Still and Again von Hanspeter Kyburz beim Lucerne-Festival auf. Als Oratoriensängerin sang sie u.a. in Mozarts Requiem, C-Dur-Messe und Exsultate Jubilate, Bachs Matthäus- und Johannespassion, Händels Messias, Mendelsohns Elias und Orffs Carmina Burana. 2016 erschien das Buch «Det var med vilje» (Es war nach Belieben) über ihre Karriere. Im selben Jahr veröffentlichte sie ihr erstes Solo-Album Arier – Ch’il bel Sogno bei Naxos. Jüngst trat sie als Lady Macbeth (Macbeth) am Luzerner Theater, Inanna (Jörg Widmanns Babylon) an der Staatsoper Unter den Linden Berlin und Agnes (Written on Skin) in der Suntory Hall Tokyo, mit Beethovens 9. Sinfonie unter Gustavo Dudamel in Spanien und dem Solostück Not I von Heinz Holliger beim Luzern-Festival sowie als Cordelia (Lear) am Teatro Real in Madrid auf.
Matthew Newlin, Idiot
Matthew Newlin
Der lyrische Tenor Matthew Newlin studierte in Edwardsville und Chicago und war Teil des Young Artist Program des Chicago Opera Theater. Seit 2013 ist er Mitglied des Ensembles der Deutschen Oper Berlin, wo er Partien wie Tamino (Die Zauberflöte), Don José (Carmen), Belmonte (Die Entführung aus dem Serail), Alfredo (La traviata), Lensky (Eugen Onegin), Andres (Wozzeck), Prunier (La rondine), Don Ottavio (Don Giovanni), italienischer Sänger (Der Rosenkavalier), Arturo (Lucia di Lammermoor), Pong (Turandot), Steuermann (Der fliegende Holländer), Gottesnarr (Boris Godunow) und Cassio in Verdis Otello sang. Am Theater an der Wien verkörperte er jüngst Leonard Bernsteins Candide und war in Washington und New York in Mourets Les Fêtes de Thalie zu hören. Weitere Gastauftritte waren u.a. Matteo (Arabella) am Teatro Real in Madrid, Jupiter/Apollo in Händels Semele an der Komischen Oper Berlin, die Titelpartie in Joachim Raffs Samson am Nationaltheater Weimar, Tamino in Leipzig, Pong (Turandot) und Andres (Wozzeck) in Paris, Froh (Das Rheingold) an der Opéra national de Paris und bei den Münchner Opernfestspielen, Léopold in Halévys La Juive an der Staatsoper Hannover und Tom Rakewell (The Rake’s Progress) in Basel. Mehrfach war er beim Festival d‘Opéra Baroque & Romantique de Beaune und beim Festival Musical de Namur zu hören. Aus der Zusammenarbeit mit Leonardo García Alarcón bei diesen Festivals entstanden mehrere CD-Einspielungen. Zudem verfügt der Tenor über ein breites Lied- und Konzert-Repertoire und gewann u.a. die Gesangswettbewerbe in ’s-Hertogenbosch (2014), Birmingham (2012) und Chicago (2011).
Magnus Piontek, Wärter
Magnus Piontek
Magnus Piontek, Bass, wurde 1985 in Bonn geboren. Er studierte Dirigieren in Köln sowie Gesang in Mannheim und war Stipendiat des Richard-Wagner-Verbandes Heidelberg und der Deutsche Bank Stiftung «Akademie Musiktheater heute». 2012 debütierte er am Nationaltheater Mannheim. Am Theater Chemnitz etablierte er sich ab der Spielzeit 2016/17 mit den Wagnerpartien Gurnemanz (Parsifal), Landgraf (Tannhäuser), Veit Pogner (Die Meistersinger von Nürnberg), König Heinrich (Lohengrin) sowie Fasolt, Hunding und Fafner im Ring des Nibelungen. 2016 gab er sein Debüt an der Semperoper Dresden, wo er seitdem u.a. als Bartolo (Le nozze di Figaro), Méru (Die Hugenotten), Zeremonienmeister (Doktor Faustus), Priester (Moses und Aron) und Colline (La bohème) zu erleben war. Weitere Höhepunkte waren die Asien-Tournee der Komischen Oper Berlin im Herbst 2019 als Sarastro (Die Zauberflöte) sowie seine Debüts an der Oper Leipzig als Jeronimus (Maskarade), am Staatstheater Kassel als Doktor (Wozzeck) und an der Oper Bonn als Un Frate (Don Carlo). Jüngste Engagements umfassen den Grossinquisitor (Don Carlo) am Theater Osnabrück, König Marke (Tristan und Isolde) mit dem Radio-Sinfonieorchester Prag sowie König Treff (Die Liebe zu den drei Orangen) in Bonn. Zu seinem Oratorienrepertoire gehören u.a. Verdis Requiem, Mendelssohns Paulus, Bachs h-Moll-Messe und Haydns Schöpfung. Er ist in zahlreichen Aufnahmen zu hören, u.a. als Hunding (Die Walküre) an der Seite von Klaus-Florian Vogt und Catherine Foster, in der Ersteinspielung von Hans Sommers Rübezahl und in der Titelpartie in Zimmermanns Der Schuhu und die fliegende Prinzessin.
Birger Radde, Marcel Proust
Birger Radde
Birger Radde, Bariton, stammt aus Norddeutschland und ist Absolvent der Musikhochschulen in Dresden und Leipzig sowie der renommierten Yale University in den USA. Er besuchte Meisterkurse bei Richard Miller, Christian Gerhaher und Peter Schreier und wird derzeit von Gianni Maffeo betreut. Seine ersten Bühnenerfahrungen sammelte der Sänger an den Theatern Hof (2012-15) und Münster (2016-17). Weitere Engagements führten ihn u.a. als Don Fernando (Fidelio) zum Maggio Musicale Fiorentino sowie an die Opéra de Nice, als Don Giovanni zu den Internationalen Maifestspielen Wiesbaden, als Wolfram (Tannhäuser) zu den Festspielen Heidenheim sowie nach Modena, Reggio Emilia und an das Teatro Petruzzelli Bari und als Faninal (Der Rosenkavalier) an die Felsenreitschule Salzburg. Am Theater Bremen sang er u.a. Conte (Le nozze di Figaro), Papageno (Die Zauberflöte) und Enrico (Lucia di Lammermoor). 2009 ging er als Preisträger des Wettbewerbs «Kammeroper Schloss Rheinsberg» hervor, wurde 2019 in der Kritikerumfrage des Magazins Opernwelt als «Nachwuchssänger des Jahres» ausgezeichnet und erhielt 2020 den Titel «Bester Sänger des Jahres» für seine Interpretation des Don Giovanni. Neben der Operntätigkeit konzertiert er regelmässig mit einem umfangreichen Lied- und Oratorienrepertoire. Zuletzt debütierte er als Wozzeck an der Staatsoper Wien und gab Jochanaan (Salome) am Janáček-Theater in Brünn, Dr. Falke (Die Fledermaus) in Bologna sowie Donner (Das Rheingold) und Gunther (Götterdämmerung) in Wiesbaden. Im Sommer 2024 war er als Melot erstmals in der Neuproduktion von Tristan und Isolde bei den Bayreuther Festspielen zu erleben.
Campbell Caspary, Idiot/ Double
Campbell Caspary
Campbell Caspary, Schauspieler, wurde 1994 in Berlin geboren. Er studierte von 2012 bis 2016 Bühnenbild an der Filmuniversität Babelsberg «Konrad Wolf» sowie an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Anschliessend absolvierte er bis 2020 ein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater «Felix Mendelssohn Bartholdy» in Leipzig. Ab der Spielzeit 2018/19 bis Ende der Spielzeit 2019/20 wirkte er im Schauspielstudio des Schauspiel Köln mit und arbeitete dort mit Regisseur:innen wie Rainald Grebe, Lily Sykes, Ersan Mondtag und Thomas Jonigk. In der Spielzeit 2020/21 war er Mitglied des Schauspielensembles am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Er war jüngst u.a. in der zweiten Staffel der Neuverfilmung von Das Boot bei Sky (2019), in Blutige Anfänger – Der letzte Follower beim ZDF (2020), in Tatort – Das Geständnis (2021) beim ARD sowie in Schlafende Hunde – Sleeping Dog bei Netflix (2022) und im Kinofilm Freiheit von Hille Norden (2024) zu sehen.