Solarstrom für Zürich
29 Monate lang wurde der Fundus Kügeliloo in Oerlikon umfassend renoviert, modernisiert und vergrössert und erstrahlt seit 2019 in einem neuen Kleid. Wir freuen uns sehr, dass mit dieser Neueröffnung das Opernhaus Zürich zum wohl ersten und einzigen Opernhaus wird, das eigenen Strom produziert. Möglich wird dies durch eine vom Verein Solarspar realisierte Photovoltaikanlage auf dem Dach: Insgesamt 2‘660 Solarpanels produzieren jedes Jahr 850'000 kWh Solarstrom!
Diese Grafiken veranschaulichen in Echtzeit, wie viel Solarstrom auf dem Dach des Fundus Kügeliloo von einer der grössten Photovoltaik-Anlagen des Kantons produziert wird und welcher Umweltbeitrag damit geleistet wird.
Gespräch
Sebastian und Christian, die Sanierung des Ausstattungslagers Kügeliloo in Oerlikon ist nach knapp zweieinhalb Jahren Bauzeit abgeschlossen. Wie stolz und erleichtert seid ihr?
Sebastian Bogatu: Ich bin sehr stolz! Es ist grossartig geworden, und wir sind sehr erleichtert, weil das Projekt im vorgegebenen Zeitfenster von 29 Monaten abgeschlossen werden konnte. Die grösste Herausforderung bestand ja darin, dass die Sanierung unseres Lagers, in dem über hunderttausend Kostüme, Möbel, Requisiten, Scheinwerfer und bis Sommer 2017 die Hälfte aller Opern- und Ballettbühnenbilder eingelagert waren, während des laufenden Opernbetriebs geschehen musste. Viele Arbeiten verursachten enormen Lärm und Dreck, während direkt daneben unsere Mitarbeitenden unersetzbare Dekorationen und Kostüme ein- und auslagerten. Es gab Tage, an denen wir mit dem Lastwagen an die Halle anfuhren, aber Bauarbeiter plötzlich den Boden aufgerissen haben und wir die Sachen von Hand hineintragen mussten. Zum Glück waren das Ausnahmen, denn eigentlich wurden solche Arbeiten, bei denen die Lagerhalle komplett gesperrt werden musste, in der spielfreien Zeit der Sommerferien gemacht. Christian Berner: Es war schon eine logistische Meisterleistung unserer Technik, das alles so zu planen, dass wir in dieser Zeit in der Oper weiter spielen konnten und der Spielplan kein einziges Mal beeinträchtigt wurde. Hätte es hier Verzögerungen gegeben, hätte das sofort erhebliche negative Auswirkungen gehabt. Man kann ruhig stolz darauf sein, wenn ein so grosses Bauprojekt - und wir sprechen hier von einem Volumen von knapp 30 Millionen Franken - im Zeit- und Kostenrahmen bleibt. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
Gab es denn wirklich keine finanziellen Veränderungen?
Chr.B.: Es gab durchaus Verschiebungen, wie es bei einem solchen Projekt immer vorkommen kann: Dinge, die dazugekommen sind, aber auch unverhoffte Entlastungen. Wenn wir das Budget am Ende leicht überschreiten, dann deshalb, weil wir etwas mehr gemacht haben, als wir ursprünglich geplant haben. Das verabschiedete Projekt, so wie es vorgesehen war, hätten wir ins Budget gebracht. Das ist einerseits der hervorragenden Planung und Projektleitung unserer Technischen Direktion sowie Volker Götz von der Bauseite des Opernhauses zu verdanken, andererseits aber auch auf eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Kanton Zürich zurückzuführen, der Fachstelle Kultur und dem Hochbauamt des Kantons Zürich sowie dem Architekturbüro Meletta Strebel Architekten.
Wie sah die Finanzierung genau aus?
Chr.B.: Die veranschlagten Gesamtkosten waren 28,5 Millionen Franken, davon hat der Kanton Zürich als Subvention für Bauvorhaben 16 Millionen Franken gesprochen. Das Opernhaus wird 12,5 Millionen Franken beisteuern. Wir haben fast fünf Jahre gebraucht, um unseren eigenen Beitrag stemmen zu können, und sind noch nicht ganz im Ziel, aber wir sind zuversichtlich, dass wir das hinkriegen werden.
Das Opernhaus hat das Ausstattungslager Kügeliloo in Oerlikon im Jahr 2000 erworben. Was musste jetzt gemacht werden?
S.B.: Bereits beim Kauf der Immobilie war klar, dass die Asbest-Beseitigung im Dach irgendwann einmal ansteht. Der Asbest kam dort in Brandschutzverkleidungen und Isolierungen in gebundener Form vor, und mit fortschreitendem Alter bestand die Gefahr, dass dieser freigesetzt werden könnte. Später stellte sich heraus, dass auch der Boden sowie Kacheln, Fliesenkleber, Tür- und Fensterdichtungen asbesthaltig waren und ebenfalls saniert werden mussten. Die Vorstellung, für all dies einen sehr hohen finanziellen Beitrag ausgeben zu müssen und am Ende dieselbe Halle wie vorher zu haben, frustrierte uns natürlich. Der Architekt Werner Rafflenbeul, mit dem wir am Opernhaus schon oft zusammengearbeitet haben, hatte dann die Idee, im Zuge der Asbestsanierung die Halle zu erhöhen. Dadurch konnten wird das bereits bestehende moderne Hochregallager um eine Ebene aufstocken. Das ineffiziente alte Holzregalsystem haben wir komplett entsorgt und durch ein weiteres, modernes Kragarm-System ersetzt. Konnten wir vorher 400 Dekorationswagen einlagern, sind es jetzt 800 ! Chr.B.: Dank der Kapazitätserhöhung und der Modernisierung des Lagers wurde die Sanierung zu einem Projekt, das nicht nur eine Altlast behoben hat, sondern auch eine Investition für die Zukunft bedeutet. Wir müssen uns im Klaren sein: Ohne dieses Lager wäre der Repertoirebetrieb am Opernhaus nicht möglich. Es ist kein Geheimnis, dass wir am Zürcher Opernhaus akute Raumprobleme haben, denn im Opernhaus und auf der Falkenstrasse selbst haben wir für gerade mal sechs Dekorationswagen Platz. Daher sind wir auf ein hocheffizientes Transport- und Lagersystem angewiesen. Da wir in der Regel pro Tag zwei Stücke im Haus haben - am Morgen für eine Probe und am Abend für eine Vorstellung -, müssen wir 15 bis 20 Mal hin- und herfahren, um das zu ermöglichen. Der Fundus Kügeliloo in Oerlikon ist da strategisch ein sehr guter Standort für uns. Es war sehr weitsichtig von unserem Ehrenpräsidenten Heinz Hertach und meinem Vorgänger Otto Grosskopf, das Lager zu erwerben.
Ist die neue Lagerkapazität jetzt ausreichend?
S.B.: Für ein Repertoiretheater wie das Opernhaus Zürich, das mit 250 Opern- und Ballettvorstellungen im Jahr ein Hochleistungsbetrieb ist, ist sie immer noch relativ gering. Es können nun zwar Kulissen für ungefähr 80 Inszenierungen eingelagert werden, aber bei 13 Produktionen pro Saison bedeutet das, dass nach sechs Jahren das Lager voll ist. Bereits im siebten Jahr müsste man alle Produktionen des ersten Jahres wieder wegschmeissen. Chr.B.: Es ist uns wichtig, dass wir einen attraktiven, abwechslungsreichen Spielplan anbieten können. Daher brauchen wir hier eine gewisse Flexibilität und Spielräume durch externe Lager. Doch dank der neuen Lagersituation können wir die Mietkosten dieser externen Lagerflächen nun massiv reduzieren. Die Kügeliloo-Sanierung ist eine sehr sinnvolle Investition.
Zum Positiven gehören ja auch ein paar bauliche Innovationen: Auf dem Dach ist zum Beispiel neu eine Solaranlage angebracht, die grösste Fotovoltaikanlage Zürichs …
Chr.B.: Das Dach hat die Grösse eines Fussballfeldes. Vor allem unsere Regierungsrätin Jaqueline Fehr hat sehr dafür plädiert, eine solch grosse Fläche für Solarstrom zu nutzen. Hier wurden bei uns offene Türen eingerannt, da wir sehr um Nachhaltigkeit bemüht sind, und wir haben das dann in die Wege geleitet. Wir betreiben die Anlage nicht selber, sondern vermieten unser Dach an einen Solarstromprofi, den Verein Solarspar, der das Ganze finanziert hat.
S.B.: Damit können wir die eigene Halle mit Strom versorgen. Da die Fotovoltaik-Anlage wesentlich mehr als den Eigenbedarf abdeckt, wird der restliche Strom exportiert und verkauft. Energetisch wurde das Haus übrigens auch komplett saniert, denn im Sommer haben die Dekorationen unter der Hitze gelitten und im Winter war es zu kalt für die Mitarbeitenden. Es kamen ausserdem knapp 1000 m2 neue Büro- und Lagerräume hinzu, hellere und grössere zusammenhängende Räume durch eine Entkernung im Untergeschoss sowie ökologisch sinnvolle Grünflächen auf dem Dach und neben dem Haus.
Gab es im Zuge der Sanierung auch böse Überraschungen?
S.B.: Neben der bereits erwähnten Tatsache, dass wir mehr Asbest gefunden haben, als ursprünglich vermutet, was den Preis hochgetrieben hat, gab es auch die Überraschung, dass wir das Regenwasser vom Dach nicht einfach so ableiten konnten, wie wir das bis anhin gemacht hatten. Wir bekamen die Auflage, das Wasser in einem Becken zu sammeln und es erst danach abzugeben. Das hat die Baukosten hochgetrieben. Eine weitere Überraschung war die Statik der Halle. Hier musste sehr viel verstärkt werden.
Chr.B.: Andererseits gab es auch ein paar Dinge, die weniger Kosten verursachten als geplant, und so hielt sich letztlich alles einigermassen die Waage.
S.B.: Insgesamt war die Baustelle für die Mitarbeitenden vor Ort ausgesprochen unangenehm. Es war sehr laut, dreckig und chaotisch. Aber bei so vielen Arbeiten kommt es eben vor, dass Fehler gemacht werden und z.B. Dachwasser statt ins Abwasser direkt ins Möbellager fliesst oder Bohrungen ohne Ankündigung durch den Hallenboden getrieben werden, während im Keller hochempfindliche Scheinwerfer, Möbel und Kostüme stehen, die völlig eingestaubt wurden. Mehrmals hatten wir bei Starkregen regelrechte Wasserfälle in verschiedene Raumteile.
Waren denn während der Bauzeit Dekorationen und Kostüme gefährdet?
S.B.: Ständig. Wegen der Schweiss- und Trennarbeiten hatten wir einen sehr hohen Russ- und Staub-Anteil in der Halle, der unter alle Abdeckungen kroch. Alles war wie mit einer leichten Schicht übersehen, die nur mit Druckluft weggeblasen werden konnte. Wenn man das mit der Hand angefasst hat, hat man gleich alles auf der Oberfläche verrieben. Wir haben die Dekorationen dann in Planen eingepackt. Beim Kostümfundus gab es die Probleme mit Wassereinbrüchen. Die Kostüme haben wir daher mit Folien abgedeckt, was aber sehr mühsam für unsere Mitarbeitenden war und bedeutete, dass immer erst eine Folie angehoben werden musste, um das gesuchte Kostüm zu finden. Aber das ist ja nun nach zwei Jahren glücklicherweise vorbei.
Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den Architekten? Sie mussten sich ja in ein sehr komplexes Projekt hineindenken.
S.B.: Die Zusammenarbeit war hervorragend. Die Architekten vom Büro Meletta Strebel haben unsere Bedürfnisse rasch verstanden und intensiv mit uns kommuniziert. Sie wiederum scheinen es genossen zu haben, mit uns einen Partner zu haben, der im Unterschied zu anderen Bauherren schnell Entscheidungen treffen kann. Das sind wir von unserem Opern-Alltag her gewohnt.
Chr.B.: Sie haben das in jeder Hinsicht wirklich toll gemacht. Rein optisch sieht man das auch an der neuen Aussenfassade, die vorher eine graue Mauer war: Mit ihrem transparenten, rotschimmernden Netz erinnert sie jetzt entfernt an einen Theatervorhang. Wir haben nun also ein topmodernes, schönes Lagergebäude, das doppelt so gross ist wie vorher, und darüber sind wir sehr glücklich!
Das Gespräch führte Kathrin Brunner.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 72, Oktober 2019.
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Film ab für unser Kügeliloo
Kulisse
Der neu renovierte Fundus Kügeliloo dient nicht nur zur Erzeugung von Solarstrom, sondern natürlich auch der Lagerung von Dekorationen, Kulissen und Kostümen. Denn mit einem gigantischen Spielplan von 12 Neuproduktionen, 20 Wiederaufnahmen und über 300 Veranstaltungen pro Jahr braucht das Opernhaus Zürich vor allem eines: Platz. Weshalb sich dieser Platz erst am Stadtrand von Zürich findet und was dies für die roten Kulissenwagen bedeutet, die tagtäglich zwischen Oerlikon und Opernhaus verkehren, zeigt unser Film Kulisse.
Die Damen der Repertoireschneiderei
Im riesigen Kostümfundus im Untergeschoss des Kügeliloo kann man sich leicht verlieren – nicht jedoch unsere Damen der Repertoireschneiderei. In Epsiode 7 unserer Kurzfilmreihe Was Sie schon immer über das Opernhaus wissen wollten, aber nie zu fragen wagten erfahren Sie, wie man sich den schnellsten Weg durch die Tiefen des Fundus bahnt...
In unserem Kostümfundus in Oerlikon finden Sie das passende Kleidungsstück
für einen unvergesslichen Auftritt:
Kostümverleih Opernhaus Zürich
Jeden Mittwoch, 10.00 bis 14.00 Uhr
Ausstattungslager Opernhaus Zürich
Binzmühlestrasse 210
8050 Zürich
+41 44 313 29 03